Die Welt kennt sie als schlagfertige, sexy Ehefrau Gloria Delgado-Pritchett aus der Sitcom «Modern Family». In ihrer neuen Netflix-Miniserie «Griselda» beweist Sofía Vergara (51) ihre schauspielerische Bandbreite. Sie spielt Griselda Blanco (1943–2012), die ab den Siebzigerjahren als gefürchtete «Kokain-Patin» mit brutalsten Methoden mehrere Jahrzehnte ein kolumbianisches Drogenkartell in den USA anführte.
Blick: Griselda Blanco könnte nicht gegensätzlicher zu Gloria Delgado-Pritchett sein. Haben Sie genau deshalb diese Rolle gewählt?
Sofía Vergara: Nein. Viele glauben, ich wolle der Welt beweisen, dass ich nicht nur eine komische, sondern auch eine ernste Rolle spielen kann. Aber das ist nicht der Grund, warum ich zugesagt habe. Ich habe 15 Jahre auf eine Drama-Rolle gewartet, zu der ich eine echte Connection verspüre. Und zu Griselda Blanco habe ich sofort eine Verbindung gefühlt!
Wirklich? Zu einer solch herzlosen, brutalen Frau?
Ich konnte mich sehr gut mit ihr identifizieren. Ich bin wie sie in Kolumbien zu den Hochzeiten des Drogenschmuggels aufgewachsen. Mein eigener Bruder war leider ein Teil davon und wurde umgebracht. Dann bin ich wie sie als alleinerziehende Mutter in die USA ausgewandert und habe bereits in sehr, sehr jungen Jahren für meinen Lebensunterhalt arbeiten müssen.
Nur dass Blanco eine herzlose Killerin war und die USA mit Drogen überschwemmt hat!
Ehrlicherweise habe ich anfangs gedacht, dass die Storys über sie übertrieben sind und sie nur die Freundin oder Ehefrau eines Narco-Bosses war. Doch dann fand ich heraus, dass sie wirklich der Boss eines Drogenkartells war und den Männern in ihrer Branche um nichts nachgestanden hat – mit einem grossen Unterschied!
Welchen?
Besonders in Kolumbien, wo ich aufgewachsen bin, sind die Namen aller Bosse der grossen Drogenkartelle legendär. Doch ich hatte noch niemals von Griselda Blanco gehört, bis man an mich wegen der Rolle herangetreten ist. Und je mehr ich über sie erfahren habe, desto interessierter wurde ich.
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Sie haben also nicht gezögert, zuzusagen?
Und ob. Ich habe mich zum ersten Mal mit der Rolle beschäftigt, als Griselda Blanco noch lebte. Sie war damals auch wieder aus dem Gefängnis heraus und lebte in Kolumbien. Erst als sie 2012 erschossen wurde, habe ich ernsthaft erwogen, sie zu spielen. Mir war vor allem wichtig, sie nicht zu glorifizieren.
Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Ich habe jeden Narco nach ihr gefragt, der sie kannte (lacht). Ernsthaft, vieles ist über sie bekannt, weil sie fast 22 Jahre in den Vereinigten Staaten im Knast gesessen hat. Ich habe mir also die Gerichtsakten und alles öffentlich Zugängliche an Material über sie besorgt.
Sofía Vergara wuchs im kolumbianischen Barranquilla als Tochter einer Hausfrau und eines Viehzüchters auf. Sie wurde von einem Fotografen entdeckt, nahm danach Schauspielunterricht. Die Sitcom «Modern Family» machte sie weltweit bekannt und mit einem Jahresverdienst von 19 Millionen zeitweise zur bestbezahlten TV-Schauspielerin der USA.
Sofía Vergara wuchs im kolumbianischen Barranquilla als Tochter einer Hausfrau und eines Viehzüchters auf. Sie wurde von einem Fotografen entdeckt, nahm danach Schauspielunterricht. Die Sitcom «Modern Family» machte sie weltweit bekannt und mit einem Jahresverdienst von 19 Millionen zeitweise zur bestbezahlten TV-Schauspielerin der USA.
Trotzdem muss es schwer sein, eine Frau zu spielen, die völlig anders ist als Sie selbst!
Es war schon crazy, was sie gemacht hat. Ich habe mir oft überlegt: «Wie kann eine vierfache Mutter zu so etwas werden? Wie kann sie Kinder aufziehen und gleichzeitig diesen Level von Hass und Horror verbreiten?»
Haben Sie darauf für sich eine Antwort gefunden?
Da ich sie ja selbst nie fragen konnte, habe ich eine Theorie dazu entwickelt. Ich glaube, dass sie anfangs nur ihre Kinder beschützen und überleben wollte. Und alles, was ihr dann widerfahren ist, hat sie im Kopf und im Herzen immer böser werden lassen. Sie hat alle ihre menschlichen Werte und ihre Moral nach und nach aufgegeben.
Sie glauben also, dass Griselda anfangs ein guter Mensch war?
Ja, ich will daran glauben, dass ihre Intentionen anfangs gut waren und ihre Brutalität durch die Umstände erst entstanden ist.
Wer sie in der Serie sieht, muss zweimal hinschauen, um sie zu erkennen!
Ich habe mehrere Prothesen im Gesicht, falsche Augenbrauen, Nase und falsche Zähne. Ich habe vor jedem Drehtag viele, viele Stunden in der Maske verbracht. Es war schwer, mich hässlich aussehen zu lassen (lacht). Wobei man wirklich sagen muss, dass Griselda in jungen Jahren eine sehr gutaussehende Frau war.
Hat die Rolle Nachwirkungen bei Ihnen hinterlassen?
Ja, sie hat meinen Rücken zerstört.
Wie denn das?
Griseldas Gang ist schuld. Ich musste immer ein wenig vorgebeugt laufen. Und mit 50 kannst du so etwas Unnatürlicher für deinen Körper einfach auf Dauer nicht mehr machen. Ein Wirbel hat sich verschoben. Eines Morgens konnte ich nicht mehr aus dem Bett aufstehen und brauchte Spritzen, um weiterdrehen zu können. Und ich fürchte, ich werde auch in Zukunft ab und an wieder Spritzen dagegen bekommen müssen.
Mit zunehmender Macht verliert Griselda Blanco immer mehr von ihrer Menschlichkeit…
…womit sie ja leider nicht allein steht. Ich habe in meinem Leben bislang viel erlebt und leider feststellen müssen, dass unsere Welt sehr herzlos und die Menschen sehr grausam sein können. Durch Power verändern sich Leute, so wie man es nie vorher erwartet hätte.
Glauben Sie, Griselda hätte jemand anderes als die Kokain-Patin sein können?
Daran glaube ich fest. Sie hat nur den falschen Weg gewählt. Wäre sie mit all ihren Talenten in eine andere Richtung gegangen, hätte sie Kolumbiens Präsidentin werden können.