Neuer Dokfilm über Bruno Breguet
Licht ins Dunkel um den Schweizer Terroristen und CIA-Agenten

Am 12. November 1995 verschwand der Tessiner Terrorist Bruno Breguet spurlos im griechischen Igoumenitsa. Der neue Dokfilm «La Scomparsa di Bruno Breguet» von Olmo Cerri zeichnet sein abenteuerliches Leben zwischen Palästina und CIA-Agentenschaft nach.
Publiziert: 14.06.2024 um 00:38 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2024 um 09:27 Uhr
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Terrorist Bruno Breguet auf der Pressekonferenz anlässlich seiner Freilassung aus israelischer Haft 1977 in Zürich im Dokfilm «La Scomparsa di Bruno Breguet», der am 13. Juni in den Schweizer Kinos anläuft.
Foto: Dschoint Ventschr Filmproduktion
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Jean-Claude GalliRedaktor People

«La Scomparsa di Bruno Breguet» – «Das Verschwinden von Bruno Breguet» – heisst der Dokfilm von Olmo Cerri (40), der an den Solothurner Filmtagen für den Jurypreis «Visioni» nominiert war und seit dem 13. Juni in den Schweizer Kinos läuft. Der Tessiner Regisseur zeichnet darin die Spuren der wohl schillerndsten Schweizer Terroristen-Figur nach und zeigt, dass die Realität um Welten spannender als Fiktion sein kann. Zugleich belegt der Film auf eindrückliche Weise, wie komplex die Verhältnisse im Nahost-Konflixt bereits seit den 1970er-Jahren sind.

Der 1950 in Muralto TI geborene Breguet identifiziert sich schon als Gymnasiast mit der Volksfront zur Befreiung Palästinas und lässt sich 1970 für ein hochriskantes Manöver einspannen. Im israelischen Haifa wird er mit einer Sprengstoffladung verhaftet, die er im Shalom Meir Tower in Tel Aviv hätte anbringen sollen. 1977 kommt er vorzeitig frei, auf diplomatischen Druck und Fürsprache von Grössen wie Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) oder Max Frisch (1911–1991).

Breguet und Carlos, der Schakal

1979 tritt er der Organisation von Ilich Ramírez Sánchez (74) alias Carlos der Schakal, bei und koordiniert Waffenlieferungen für den Top-Terroristen.

Im Februar 1982 wird er in Paris wegen eines geplanten Attentats mit Carlos-Partnerin Magdalena Kopp (1948-2015) verhaftet. Staranwalt Jacques Vergès (1926-2013) übernimmt die Verteidigung, alimentiert vom bekannten Nazi-Bankier François Genoud (1915-1996), der Breguet schon in Israel unterstützt hatte.

Nach drei Jahren Gefängnis kommt Breguet 1985 frei und kehrt ins Tessin zurück, wo sich seine deutsche Partnerin Eva und sein 1981 geborener Sohn Paul aufhalten. Er beantragt einen Waffenschein und klagt gegenüber den Behörden, er fühle sich bedroht. Als 1989 die Berliner Mauer fällt, wird Breguet zunehmend orientierungslos. Er bricht seine Beziehung zu Eva ab und bekommt mit seiner neuen Partnerin Carol eine Tochter namens Shola. Sie ziehen ins griechische Perdika nahe der Hafenstadt Igoumenitsa.

Breguet und die CIA

Während den Recherchen zum Film nimmt der Fall eine völlig überraschende Wende, die Breguet plötzlich in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt. Der Historiker Adrian Hänni wendet sich mit brisanten Informationen an den Regisseur. Er ist auf US-Dokumente gestossen, die den Schluss zulassen, dass Breguet unter dem Decknamen «FD Bonus 1» für die CIA arbeitete und Informationen zu Carlos liefern sollte.

In seinem 2023 erschienenen Buch schreibt Hänni, Breguet habe sich 1991 selber bei der US-Botschaft in Bern gemeldet. Konspirative Treffen hätten vor allem in Berner Hotelzimmern stattgefunden. Das Honorar betrug offenbar monatlich 3000 Dollar. 1994 wird Carlos durch den französischen Geheimdienst im Sudan verhaftet. Es gibt jedoch keine Belege, dass der Zugriff auf Angaben von Breguet hin erfolgte.

Breguet verschwindet

Am 12. November 1995 verschwindet Breguet. Er will mit seiner Partnerin und seiner Tochter von Igoumenitsa mit dem Schiff herkommend im italienischen Ancona an Land. Dort lässt man ihn nicht aussteigen. Er ruft seinen Bruder Ernesto an und sagt, wenn er sich in ein paar Tagen nicht melde, müsse man sich ernsthafte Sorgen machen. Er kehrt nach Griechenland zurück und verschwindet 20 Minuten vor Ankunft der Fähre in Igoumenitsa spurlos.

Der Fährkommandant beschreibt später zwei mögliche Szenarien: Entweder hat Breguet die Fähre heimlich während der Ankunft der Passagiere verlassen. Oder Breguet wird entführt und im Kofferraum eines Autos an Land gefahren.

Wo ist Breguet?

Die griechische Presse verbreitet die These, Breguet sei vom französischen Geheimdienst verschleppt worden, um weitere Informationen aus ihm herauszupressen. Breguets Vater vermutet, er habe sich aus Angst vor einem erneuten Gefängnisaufenthalt ins Meer gestürzt. Ebenso gibt es die Theorie, Breguet könnte mit einer neuen Identität irgendwo weiterleben. Von Schweizer Seite her wird nie eine Untersuchung eingeleitet. Am 31. Mai 2000 veröffentlichen Breguets Kinder Paul und Shola anlässlich seines 50. Geburtstages in der französischen Tageszeitung «Le Monde» eine Anzeige. «Lieber Bruno, wir denken an Dich, wo immer Du bist.»

Weil sich seine Familie im Film nicht äussern will, lässt der Regisseur Weggefährten sprechen. Darunter ist auch der Aktivist Giorgio Bellini (79), der am 3. Mai 1981 als Häftling schlagartig bekannt wird. Fünf Sympathisanten stürmen die Haupt-«Tagesschau» und schwenken vor Nachrichtensprecher Leon Huber (1936–2015) ein Transparent mit der Aufschrift «Freedom and Sunshine for Giorgio Bellini». Ihr Wunsch wird später erhört. Welches Schicksal hingegen Bruno Breguet ereilte, bleibt wohl für immer ein Rätsel.

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