Die chinesisch-amerikanische Regisseurin Chloé Zhao wurde vor zwei Wochen mit dem Oscar für ihren Film «Nomadland» ausgezeichnet. Höchstens am Rande mitbekommen haben dürften das die 1,4 Milliarden Chinesinnen und Chinesen. Die meisten von ihnen kennen Zhaos Namen noch nicht einmal. Das ist kein Zufall. Denn Hollywood findet in China nur unter Bedingungen statt. Bedingungen, die China diktiert.
Der Grundsatz «Wer zahlt, befiehlt» gilt auch in Hollywood. Wer nun aber an schmerbäuchige, rotgesichtige Investoren und Produzenten mit Zigarren im Mund und Südstaatenakzent denkt, die junge Starlets terrorisieren, liegt falsch. In Hollywood zahlt und befiehlt immer öfter China.
Seit die chinesische Wirtschaft boomt, entsteht im Reich der Mitte ein neuer Mittelstand. Und der will ins Kino und Serien streamen. So entstand in den letzten Jahren der weltweit zweitgrösste Film- und Serienkonsumentenmarkt, mit der Tendenz, die USA bald zu überholen. Nur schon im Jahr 2016 gab es in China jeden Tag 27 Eröffnungen neuer Multiplex-Kinosäle. Die Zahl ausländischer Filme ist aber beschränkt: Nur 34 internationale Produktionen bewilligt die chinesische Regierung von Xi Jinping pro Jahr, um die heimische Filmindustrie zu schützen.
Trotzdem oder genau deshalb: Vom riesigen Markt profitiert das seit längerem serbelnde Hollywood nicht nur. Es ist von ihm abhängig. 2,6 Milliarden Dollar spielten US-Filme 2019 in China ein. Aber Hollywood ist nicht nur für Zuschauerzahlen, sondern auch für die Finanzierung der teuren Filme auf China angewiesen. Zwei von drei neueren Hollywood-Top-Filmen haben gemäss dem US-Nachrichtenportal NBC News chinesische Investoren. Damit möglichst viele der 34 erlaubten Produktionen aus US-amerikanischen Produktionsfirmen durch die harte Zensur durchkommen, zensiert sich Hollywood zusätzlich auch selbst – selbst dann, wenn keine chinesische Beteiligung von Investoren vorliegt.
Kunstfreiheit gibt es nicht, ihren Zweck bestimmt Xi Jinping
Denn westliche Werte, wie von Hollywood vertreten, oder auch nur freiheitliche Werte sind chinesischen Funktionären ein Dorn im Auge. Präsident Xi Jinping sagte denn auch bereits kurz nach Amtsantritt 2013: «Die Kunst hat den Zweck, dem Volk und dem Sozialismus zu dienen.» Und in Jinpings Sozialismus ist vieles verboten, was in Europa oder Amerika ganz normal ist. Unsere Werte sind ihm zu obrigkeitskritisch, zu schwul oder lesbisch, zu freizügig, zu weltoffen. Beispiel Sexualität: Dass der Queen-Sänger Freddie Mercury, im Film «Bohemian Rhapsody» von Rami Malek flamboyant gespielt, homosexuell war, fällt dem chinesischen Filmschnittmesser genauso zum Opfer wie auch die Szene, als er im ironischen Video zu «I Want to Break Free» als Vorstadt-Hausfrau in Frauenkleidern staubsaugt.
Aber nicht nur Sexualität will das chinesische Regime kontrollieren, auch Chinas geopolitischer Herrschaftsanspruch zeichnet sich in Filmen ab. Nur schon die Existenz von Ländern, die sich der Einflussnahme Pekings zu erwehren versuchen, fällt in Hollywood-Filmen unter Zensur. Das letzte Mal, als ein nach Unabhängigkeit strebendes Tibet in einer Hollywood-Produktion erschien, war 1997 in «Sieben Jahre in Tibet» mit Brad Pitt in der Hauptrolle. Die Produktionsfirmen wurden damals übrigens als «Bestrafung» fünf Jahre lang von allen Geschäftsmöglichkeiten in China ausgeschlossen.
«Eine Beleidigung für unsere Freunde»
Ein Jahr später machte der Chefproduzent von Disney World, Michael Eisner, in China einen allertiefsten Kotau: Die seither unter Deckel gehaltene Disney-Produktion «Kundun» zeigte das Leben des exilierten tibetischen Oberhaupts, des vierzehnten Dalai Lama Tenzin Gyatso. Chinesen erschienen im Film klar als Unterdrücker. Der Film sei «eine Beleidigung für unsere Freunde, die es in Zukunft zu vermeiden gilt», sagte Eisner kleinlaut – um dann unterwürfig über die Zukunft einer Disney-Themenpark-Kopie in Peking zu verhandeln. Dort hatten die Funktionäre zuvor frisch und frei Disney-Charaktere angesiedelt und das berühmte Disney-Schloss hingebaut. Natürlich, ohne Lizenzen zu zahlen.
Jüngeren Datums hat sich die Produktionsfirma Dreamworks einen internationalen Shitstorm eingehandelt: Die Seekarte, die in einer Szene des Kinderfilms «Everest – ein Yeti will hoch hinaus» gezeigt wird, annektiert gleich mal umstrittene Gewässer und Inseln und gibt sie als chinesisches Hoheitsgebiet aus. Die Philippinen, Vietnam und Malaysia haben den Film daraufhin in ihren Ländern nicht zugelassen. In unzähligen anderen Filmen wurden tibetische Symbole und Schriftzeichen digital geändert, im Drehbuch vorgesehene tibetische Figuren ganz ersetzt oder die Flaggen von Taiwan digital verändert.
US-Autoren und -Drehbuchautoren sind besorgt
Die Zensur und Selbstzensur ist seit längerem so offenkundig, dass sich sogar der renommierte PEN-Klub von Autoren und teilweise auch Drehbuchautoren 2020 eingemischt hat – eine 94-seitige Zusammenstellung unter dem Namen «Made in Hollywood – Censored in Beijing» («Produziert in Hollywood – zensiert in Peking») stellt unzählige Beispiele der Selbstzensur vor. So stammt etwa in der Vorlage zum Zombiespektakel «World War Z» aus dem Jahr 2013 das Zombievirus aus China. Im Film nicht mehr. Auf Tom Cruises Jacke in den ersten «Top Gun»-Filmen prangte unter anderem die taiwanesische Flagge. Jetzt steht an der Stelle ein sinnentleertes grafisches Symbol – der Konflikt zwischen China und Taiwan schwelt seit langem, China sieht Taiwan als chinesische Provinz, die Insel vor der chinesischen Küste sieht sich als unabhängige Nation und fürchtet sich aktuell vor einer Militärinvasion.
Am besten genau hinschauen
Nun könnte man hierzulande natürlich denken, es sei ja egal, was in Hollywood und in China passiert und ob in Serien ein geschöntes Bild herrscht. Mit solcher Gleichgültigkeit verrät man Prinzipien der Menschenrechte, die in China für diverse Minderheiten auf horrende Art und Weise mit Füssen getreten werden, und damit demokratische Werte, für welche die Schweiz seit jeher einsteht.
Und warum wird nun Oscar-Gewinnerin Chloé Zhao in China totgeschwiegen? Sie hat 2013 in einem Interview gesagt, China sei «ein Land voller Lügen». Das reicht dafür, in China offiziell nicht mehr vorzukommen.
Umgerechnet über neun Milliarden Franken Umsatz erwirtschaftete die chinesische Filmindustrie im Jahr 2018. Chinesische Produktionsfirmen veröffentlichten 1080 Filme – nur Indien schaffte mehr. Im Land gibt es 50 grosse Kinoketten mit, Stand 2020, ungefähr 12'000 Multiplex-Tempeln, die im Schnitt fünf bis sechs Einzelsäle besitzen. In der ostchinesischen Stadt Qingdao entsteht derzeit eine gigantische Filmmetropole, die das Hollywood des Ostens werden soll. Schon heute steht in Qingdao der grösste Filmproduktions-Komplex der Welt.
Umgerechnet über neun Milliarden Franken Umsatz erwirtschaftete die chinesische Filmindustrie im Jahr 2018. Chinesische Produktionsfirmen veröffentlichten 1080 Filme – nur Indien schaffte mehr. Im Land gibt es 50 grosse Kinoketten mit, Stand 2020, ungefähr 12'000 Multiplex-Tempeln, die im Schnitt fünf bis sechs Einzelsäle besitzen. In der ostchinesischen Stadt Qingdao entsteht derzeit eine gigantische Filmmetropole, die das Hollywood des Ostens werden soll. Schon heute steht in Qingdao der grösste Filmproduktions-Komplex der Welt.
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