In der Nacht vom 4. Juni 1989, vor genau 30 Jahren, fuhr die chinesische Armee mit Panzern auf den Pekinger Tiananmen-Platz vor, um gewaltsam Studentenproteste niederzuschlagen. Die Demonstranten hatten zuvor während Wochen mehr Demokratie im Land gefordert, Zehntausende Menschen hatten sich ihnen angeschlossen .
Die Regierung lieferte ihre Antwort an diesem Tag, der als Tian anmen-Massaker bekannt werden sollte: Die Soldaten hätten wahllos in die Menschenmenge geschossen, Panzerfahrzeuge hätten selbst Soldaten überrollt, die gezögert hätten, auf die Zivilisten loszugehen, berichtete eine Radiostation vor Ort. Später erklärte die Regierung, dass bei der «Unterdrückung konterrevolutionären Aufstände» 200 Zivilisten und mehrere Dutzend Sicherheitskräfte getötet worden seien. Laut dem Roten Kreuz starben damals 2600 Menschen, 7000 wurden verletzt.
Was genau an diesem Tag geschah, ist kaum nachvollziehbar. Auch 30 Jahre danach versucht China mit allen Mitten zu verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Während am Dienstag überall Gedenkminuten durchgeführt werden und alleine in Hong Kong Zehntausende Menschen zu einer Demonstration erwartet werden, dürfte es im Rest von China stumm bleiben.
Zensur im Internet und in den Medien
Wer auf Google nach Tiananmen-Massaker sucht, findet Bilder von rauchenden Panzern und schreienden Menschen. Wer dasselbe auf Baidu, dem chinesischen Google-Pendant sucht, erhält Bilder des Platzes, der gerade geputzt oder von Militärkompanien benutzt wird.
Gleiches Ergebnis, wenn man auf Twitter beziehungsweise dem chinesischen Rivalen Sina Weibo nach «Tiananmen» sucht.
Wer sich in China befindet, moniert, dass das Internet deutlich langsamer ist als auch schon, ein deutliches Zeichen, dass die national gesteuerte Firewall auf Hochdruck arbeitet.
In den chinesischen Tageszeitungen wird das Massaker ebenfalls totgeschwiegen, als ob es den Tag nie gegeben hätte.
Immerhin hat sich diese Woche für einmal ein chinesischer Funktionär zu den Vorkommnissen vor 30 Jahren geäussert. Verteidigungsminister Wei Fenghe sagte am Sonntag auf einer Sicherheitskonferenz in Singapur, die Proteste seien politische Unruhen gewesen. Diese habe die chinesische Regierung bezwingen müssen. «Das war das korrekte Vorgehen. Deshalb ist China stabil.»
Trotzdem herrscht international Unverständnis über die Zensur Chinas. EU-Aussenbeauftragte Frederica Mogherini forderte eine offene Aufarbeitung des Blutvergiessens. Die Ereignisse damals anzuerkennen und die Toten, Festgenommenen und Vermissten im Zusammenhang mit den Protesten offenzulegen, «ist wichtig für künftige Generationen und das kollektive Gedächtnis». Sie kritisierte die anhaltende Unterdrückung der Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit. Politische Gefangene sollten freigelassen werden.
Vor dem Jahrestag waren in China Aktivisten und Angehörige der Opfer festgenommen, unter Hausarrest gestellt oder zwangsweise «in die Ferien» aus Peking weggebracht worden.