Auf einen Blick
- «Anora» triumphiert bei Oscar-Nacht als überraschender Independent-Film-Sieger
- Film orientiert sich optisch an früher Leinwand-Erotik der 1970er-Jahre
- «Anora» wurde mit sechs Millionen Dollar Budget produziert
Der Triumph von «Anora» bei der Oscar-Nacht 2025 ist in mehrfacher Hinsicht eine echte und auch wohltuende Überraschung. Erstens ist das Werk von Sean Baker (54) ein klassischer Independent-Film abseits der grossen Studios mit einem für Hollywood-Verhältnisse winzigen Budget von sechs Millionen Dollar.
2017 gewann in der Hauptkategorie «Bester Film» mit «Moonlight» ein Film mit ähnlichem Kostenpunkt. «Moonlight» war mit fünf Millionen gar noch einen Tick günstiger. Allerdings ging dieser Aspekt damals durch die falsche Ausrufung von «La La Land» als Siegerfilm etwas unter. Auch «Nomadland» verfügte 2021 über vergleichbare Mittel wie «Anora», hatte aber zusätzlich noch Frances McDormand (67) als Star-Zugpferd. «Es lebe der Indie-Film», rief Baker bei seiner Dankesrede.
«Anora» war kein «Oscar-Köder»
«Anora» ist keine luftige Komödie, sondern ein «Dramedy» mit romantischen, aber auch düsteren Momenten. Anora, eine Prostituierte aus Brooklyn, verliebt sich in den Sohn eines russischen Oligarchen. Seine Familie bangt um Vermögen und Ruf und will die in Las Vegas geschlossene Ehe annullieren lassen, notfalls mit Gewalt.
Optisch orientiert sich «Anora» an der frühen Leinwand-Erotik der 1970er-Jahre, ein Kontrapunkt zur polierten Ästhetik vieler Konkurrenzfilme. Er ist zudem das Gegenteil eines «Oscar-Köders», die immer erst sehr spät im Jahr veröffentlicht werden, um den Wählenden noch bestmöglich im Kurzzeit-Gedächtnis zu bleiben. «Anora» erschien Mitte Oktober. Solche «Köder» sind oft auch opulente Historienfilme nach realen Ereignissen und gewinnen mit ihren finanziellen Mitteln auch in den technischen Oscar-Sparten.
«Anora» konnte hier nicht mithalten, gewann dafür in den Hauptkategorien «Bester Film» und «Beste Regie» sowie für den besten Schnitt und das beste Drehbuch, beides ebenso aus der Hand von Baker. In jenen Sparten, in denen künstlerische Qualität mindestens so wichtig ist wie das Budget. Und die fünfte Auszeichnung holte Mikey Madison (25) als beste Hauptdarstellerin, auch weil sich die Zusammensetzung der Wählenden in den letzten Jahren verjüngt hat und die Jugend dadurch vermehrt in den Siegeslisten vertreten ist.
Ohne Madisons Leistung und überhaupt den Erfolg von «Anora» als Ganzes zu schmälern, muss aber unbedingt auch festgehalten werden: Wären die vielen Oscar-Chancen von «Emilia Pérez» durch das Auftauchen der kompromittierenden Tweets von Hauptdarstellerin Karla Sofía Gascón (52) nicht kurzfristig vernichtet worden, wäre dieser Abend wohl ganz anders verlaufen.