True Crime erobert das Kinderfernsehen! Kaum ein Genre boomt derzeit so wie True Crime. Auf Netflix führt seit zwei Wochen die Serie «Dahmer» über US-Serienmörder Jeffrey Dahmer (1961–1994) in fast allen Ländern die Charts an, und auch die Podcast-Hitparaden werden von Geschichten über wahre Mord- und Kriminalfälle dominiert. Neu gibt es nun auch bei Kika, dem Kinderkanal von ARD und ZDF, ein entsprechendes Format für jüngere Zuschauer: In «Young Crime» werden seit dem 1. Oktober reale Fälle vorgestellt, bei denen Jugendliche mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind.
Studiogäste und Jugendrichterin beurteilen jeweiligen Fall
Jeweils samstags um 20.35 Uhr geht es in jeder Folge um einen Fall von Jugendkriminalität, der vor einem Jugendgericht gelandet ist – «vom Handydiebstahl im Basketballteam über illegale Graffiti und Sachbeschädigung bis hin zu Cyber-Mobbing und Schulhofdelikten», heisst es in einer Mitteilung des deutschen Senders. In nachgestellten fiktiven Szenen werden die Taten und Hintergründe präsentiert. Im Anschluss tauschen sich drei Heranwachsende im Studio gemeinsam mit Moderator Chinedu Melcher (19) aus und geben ihre Einschätzungen zum Fall. Eine Jugendrichterin ergänzt die Diskussionsrunde und unterstützt sie bei der «Urteilsfindung». Am Ende der Folge wird das reale Urteil des Falls verkündet.
Ein True-Crime-Format für Jugendliche sei eine hervorragende Idee, erklärt der langjährige Blick-Gerichtsreporter Viktor Dammann (72), Autor des Buchs «Das Böse im Blick». «Ich finde es sehr gut, dass man Jugendlichen mit der Sendung klarmacht, was ihnen blüht, wenn sie straffällig werden. In Deutschland ist das Jugendstrafrecht zudem einiges strenger als in der Schweiz», so Dammann. Besonders hilfreich sei es auch, dass eine Jugendrichterin in der Sendung erkläre, was genau strafbar ist und was wohl das Motiv des Täters oder der Täterin war, so der Experte weiter. «Dadurch wird der Aufklärungseffekt noch verstärkt.»
Jugendpsychologe nennt Sendung «pädagogischen Unsinn»
Ganz anderer Meinung ist Jugendpsychologe Allan Guggenbühl (70): «Eine True-Crime-Sendung für Jugendliche ist eine Pseudo-Sensibilisierung.» Denn die meisten Heranwachsenden wüssten ganz genau, dass man keine Handys klaue. «Der Aufklärungseffekt ist minimal, dafür profitiert der Sender von der Empörung und der Sensation des Themas. Viel besser wäre, die Hintergründe genauer zu beleuchten und aufzuzeigen, warum Jugendliche überhaupt straffällig werden», so der Experte. Auch dass Teenager in die Sendung eingeladen werden, findet Guggenbühl problematisch: «Die Jugendlichen müssen so die Rolle der Urteilenden einnehmen, und es wird automatisch in gute und schlechte Jugendliche unterteilt. Das hilft am Ende weder den Opfern noch den Tätern», so Guggenbühl.
Die Jugend ist übrigens die kriminellste Lebenszeit eines Menschen, wie der Kinderkanal Kika gestützt auf eine aktuelle deutsche Studie aufzeigt: 84 Prozent aller Jungen und 69 Prozent aller Mädchen zwischen dem 13. und 18. Lebensjahr geben an, schon einmal eine Straftat begangen zu haben – unabhängig ihrer sozialen Herkunft.