Richard-Wagner-Festspiele 2022
Finstere Wolken über dem Grünen Hügel

2026 steht die Jubiläumsausgabe der Wagner-Festspiele in Bayreuth an. Bis dahin hat Intendantin Katharina Wagner viele Steine aus dem Weg zu räumen. Nun werden auch noch Vorwürfe wegen sexueller Belästigung laut. Zudem muss ihr Vertrag 2025 erst noch verlängert werden.
Publiziert: 31.07.2022 um 10:23 Uhr
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Katharina Wagner, seit 2008 umstrittene Intendantin der Richard-Wagner-Festspiele und Urenkelin des namensgebenden Komponisten.
Foto: Getty Images
Jean-Claude Galli

Seit vergangenem Montag laufen die diesjährigen Richard-Wagner-Festspiele auf dem Grünen Hügel in Bayreuth. Unter den Premierengästen von «Tristan und Isolde» sind Wagner-Fans wie Altkanzlerin Angela Merkel (68) oder Thomas Gottschalk (72). Normalerweise drehen sich die Pausengespräche jeweils ums leibliche Wohl: den stetig steigenden Bratwurst-Preis, die unbequemen Sitzplätze und die gnadenlose Hitze im unkühlbaren Saal.

Doch wird der geschichtsträchtige Grossanlass heuer gleich von mehreren Eruptionen erschüttert. Vorletzte Woche veröffentlichte der «Nordbayerische Kurier» einen Artikel über skandalöse Zustände im Haus. Die Rede ist von körperlichen Übergriffen auf Frauen, Beleidigungen und sexistischen Sprüchen. Geschehnisse, die vor Intendantin Katharina Wagner (44), Urenkelin des Komponisten, selber nicht haltmachten. «Auch ich habe Anzüglichkeiten und Übergriffe erlebt», sagte sie, «habe mich aber zu wehren gewusst.»

Wagner verspricht eine Untersuchung und rigoroses Durchgreifen. Am Mittwoch kündigt die Staatsanwaltschaft an, man ermittle nun gegen unbekannt, es gehe um den Tatvorwurf der sexuellen Belästigung.

Mehr über die Richard-Wagner-Festspiele

Wagner und der Obersalzberg

Ebenfalls am Montag wurde ein weiterer Vorfall bekannt, der erneut ein Schlaglicht auf ein Kernproblem von Richard Wagners (1813–1883) Werken wirft: Dass sie einem gewissen Adolf Hitler (1889–1945) so gut gefielen. In der «Lohengrin»-Generalprobe singt Startenor Klaus Florian Vogt (52) librettogetreu folgende Passage: «Seht da den Herzog von Brabant, zum Führer sei er euch ernannt», sehr zum Missfallen verschiedener Ohrenzeugen. Die Festspielleitung prüft jetzt, das Wort «Führer» – wie weltweit in anderen Häusern bereits üblich – durch «Schützer» zu ersetzen.

In der Kritik steht auch Stardirigent Christian Thielemann (63). Er habe regelmässig Musiker angeschrien und beleidigt. Thielemann spricht von einem «Missverständnis».

Was wiederum Erinnerungen an den letzten Sommer weckt, als im Zusammenhang mit einer Affäre um den russischen Regisseur Dmitri Tschernjakow (52) – er soll einen Sicherheitsmann wegen eines fehlenden negativen Covid-Tests bespuckt haben und wird von Wagner gemassregelt – verschiedene Mitarbeiter beim Verwaltungsrat Beschwerde einreichten, Wagner hätte sich wiederholt rassistisch geäussert.

Bayreuth und seine Baustellen

Das Virus lässt Bayreuth auch 2022 nicht los. 80 Mitwirkende sind zuletzt betroffen. Zeitweise ist sogar die Premiere in Gefahr, der Dirigent wird ausgewechselt. Grundsätzlich bleiben in der Ära von Katharina Wagner wichtige Stellen länger offen und die Fluktuation ist hoch.

Auch ihr eigener Posten ist kein sicherer Hafen. Wagner trat 2008 die Nachfolge ihres Vaters Wolfgang (1919–2010) an. Ihr dritter Vertrag läuft noch bis 2025. Ob er noch einmal verlängert wird, ist fraglich. Böse Zungen sagen, sie sitze nur hier, weil sie den richtigen Namen trage. Zudem ist ihr mit dem Rücktritt von Angela Merkel eine schützende Hand verloren gegangen. Die aktuelle Bundesregierung hat schon angekündigt, die Verwendung von Staatszuschüssen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Dazu kommen infrastrukturelle Probleme. Renovationen sind dringend nötig, ziehen sich wegen des laufenden Betriebs aber schleppend dahin. An einen Ersatzort auszuweichen, kommt aufgrund der von Richard Wagner festgesetzten Bedingungen nicht infrage. Gleichzeitig wäre aufgrund des Nichteinhaltens der feuerpolizeilichen Vorschriften ein Entzug der behördlichen Bewilligung jederzeit möglich.

Da ist der Umstand, dass Sopranistin Catherine Foster (47) beim Schlussgesang von «Tristan und Isolde» stellenweise einen Viertelton zu tief liegt, eher vernachlässigbar.

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