Rammsteins Sex-System «Row Zero»
Wie Alena M. Groupies für Till Lindemann rekrutiert

Die Vorwürfe an Rammstein-Frontmann Till Lindemann häufen sich. Besonders in der Kritik steht das System «Row Zero», in dem junge Frauen für Aftershow-Partys und mehr rekrutiert werden. Nun beendet Lindemanns Buchverlag die Zusammenarbeit.
Publiziert: 02.06.2023 um 16:10 Uhr
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Aktualisiert: 02.06.2023 um 16:54 Uhr
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Lindemann (vorne) ist Sänger der wohl erfolgreichsten deutschen Band Rammstein.
Foto: Jens Koch
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Berit-Silja GründlersRedaktorin People

Alena M.* (35), eine junge Frau aus Russland, bezeichnet sich auf Instagram als «Castingdirektorin», die aktuell mit Till Lindemann (60), dem Frontmann der deutschen Megaband Rammstein, auf Tour sei. Auf ihrem Account zeigt sie sich oft mit dem Sänger. Sie zumeist angeschmiegt und lächelnd, er stocksteif und emotionslos.

Alena M. «castet» für Lindemann keine Darstellerinnen und Darsteller für Rammstein-Videos, sie wählt junge Frauen für die «Row Zero» (Reihe Null) an den Konzerten der Band aus. Dabei handelt es sich um einen speziellen Bereich direkt vor der Bühne. Mit im Päckli ist der Besuch von Partys mit der Band vor, während und nach der Show. Nach Wunsch auch im intimen Rahmen mit Till Lindemann.

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Die Front der Fans schliesst sich

Das System, das Alena M. erschaffen hat, ist professionell: Sie macht auf Social Media junge weibliche Rammstein-Fans ausfindig, lädt sie in die «Row Zero» ein und versorgt sie dort mit Alkohol. Das berichten Frauen, die von M. rekrutiert wurden, der «Süddeutschen Zeitung», dem NDR und der «NZZ». Alle Frauen bleiben in den Recherchen der drei Medien anonym. Viele aus Angst. Dennoch seien die Namen der Frauen bekannt, einige von ihnen hätten ihre Angaben an Eides statt versichert, schreibt die «Süddeutsche Zeitung».

Seit die «Row Zero»-Besucherin Shelby Lynn (24) öffentlich machte, dass sie während der Konzertparty in Litauen von Lindemann aggressiv angegangen worden sei, nachdem sie seine sexuellen Avancen abgelehnt habe, machen immer mehr Frauen ähnliche und schlimmere Erfahrungen öffentlich. Gleichzeitig schliesst sich die Front der Fans, die ihre Idole auf Social Media verteidigen. Angeführt von Alena M.

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Vom Fan zur «Row Zero»-Managerin

Die Frau aus der russischen Stadt Samara war, so zeigen Recherchen der «SZ», zunächst nur Rammstein-Fan. 2013, während eines Konzertes in ihrer Heimatstadt, wurde Alena M. gemeinsam mit zehn weiteren jungen Frauen ausgewählt, zur Band auf die Bühne zu gehen. «Es gibt diese Momente und Begegnungen, die das Leben in ein Vorher und ein Nachher teilen», soll sie diesen Tag beschrieben haben. Das «Nachher» begann 2019 für M. erst richtig, seither ist die Russin auf den Tourneen Rammsteins dabei und bestückt die «Row Zero» mit weiblichen Fans.

Pro Konzert gibt es Whatsapp-Gruppen mit Frauen, die M. für die Band ausgewählt hat. In denen legt sie klar fest, was der Dress-Code sei, den sich die Band wünsche: «sexy-elegant, gothic rock, Cocktailkleider, alles gut, nur keine Rammstein-T-Shirts bitte» heisst es in Chatverläufen, die den recherchierenden Medien vorliegen.

Partys mit Rammstein seien «grossartige Erlebnisse»

Die Berichte von Frauen, die mit Lindemann und Rammstein feierten, könnten nicht unterschiedlicher sein. Partys mit der gesamten Band schildern Anwesende als «grossartige Erlebnisse». Von Übergriffen ist keine Rede. Anders sei dies allerdings bei den privaten Treffen mit Till Lindemann, die mal in seiner Garderobe, mal in seinem Hotel stattfinden sollen.

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«Ich will nicht sagen, dass das eine Vergewaltigung war.»
Cynthia A., Rammstein-Konzertbesucherin
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Cynthia A. wurde 2020 von Alena M. für eine Soloshow Lindemanns in Hannover «gecastet». Der «Süddeutschen Zeitung» schildert sie ihre Erfahrung: «Er hat mich mit in die Garderobe genommen, die Tür zugemacht und dann ging es halt los. Ich will nicht sagen, dass das eine Vergewaltigung war, weil ich ja zugestimmt habe, aber ich war jetzt auch nicht offensichtlich glücklich darüber, was da passiert.

Ich hatte auch ziemlich starke Schmerzen und es muss ihm auch aufgefallen sein, dass es nicht leicht war, mit mir zu schlafen. Und dass ich verkrampft war. Ich habe danach auch geblutet und es hat vielleicht zehn Minuten gedauert. Das war alles ziemlich schnell und ziemlich gewaltvoll. In dem Moment habe ich nur gedacht: ‹oh mein Gott, das tut weh, hoffentlich ist es bald vorbei›. Aber ich wollte eben auch nicht sagen, dass es wehtut, weil, es war eben Till Lindemann. Nach zehn Minuten war er fertig und hat sich bedankt und gesagt, es ginge ihm jetzt besser.»

Lindemann veröffentlichte Gedicht über Vergewaltigung

Nur ein Mikrofon: Lindemann bei einem Rammstein-Konzert in der Berliner Wuhlheide.
Foto: DAVIDS/Darmer

Sie habe erst später, als sie Till Lindemanns Gedicht «Wenn du schläfst» gelesen habe, gemerkt, wie sehr sie die Geschehnisse belasteten, rutschte in Alkohol- und Drogen ab. In seiner Dichtung philosophiert der Musiker über den sexuellen Missbrauch an einem Menschen unter der Substanz Rohypnol, auch Vergewaltigungsdroge genannt: «Kann dich überall anfassen. Schlaf gerne mit dir, wenn du träumst. Und genau so soll das sein (so soll das sein, so macht es Spass). Etwas Rohypnol im Wein (etwas Rohypnol ins Glas).» Doch es gibt auch Frauen, die positiv von den privaten Treffen berichten. Der «NZZ» erzählt Diana etwa, dass sie Lindemann körperlich näher gekommen sei. Sie betont jedoch: «Der Kuss ging klar von mir aus. Till hätte nichts versucht.»

Erste Konsequenzen haben die Vorwürfe bereits. Der Buchverlag «Kiepenheuer & Witsch» hat die Zusammenarbeit mit Lindemann beendet. Bei dem Verlag brachte er «In stillen Nächten» ein Buch voller Gedichte raus. «Unser Mitgefühl und unser Respekt gilt den betroffenen Frauen», heisst es in einem Statement.

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Provokation beginnt schon mit dem Bandnamen

Dass bei Rammstein makabre Provokation Programm ist, ist bekannt. Sie ist schon im Bandnamen enthalten: 1988 krachten während einer Flugschau auf US-amerikanischen Air Base Ramstein bei Kaiserslautern drei Jets ineinander und stürzten brennend in das Publikum. 70 Menschen starben und Tausende wurden zum Teil schwer verletzt. Lindemann und seine Mannen fügten dem Bandnamen ein «M» hinzu, bespielten aber die Empörung mit der Textzeile «Rammstein – ein Mensch brennt», aus dem Song «Rammstein».

Bezogen auf die jetzige Welle an Vorwürfen, die Rammstein überrollt, wollten sich weder die Band noch Till Lindemann oder Alena M. gegenüber der «Süddeutschen Zeitung», des NDR und der «NZZ» äussern. Anfragen der recherchierenden Medien blieben unbeantwortet. Für Till Lindemann gilt die Unschuldsvermutung.

*Name bekannt

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