Am Montag starteten die Verhandlungen zum Missbrauchsprozess gegen Jeffrey Epsteins (1953–2019) Vertraute Ghislaine Maxwell (59). Schon am ersten Prozesstag prallten die verschiedenen Versionen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung über die Rolle der 59-Jährigen aufeinander.
Die Staatsanwaltschaft beschrieb Maxwell am Montag als «rechte Hand» des in höchsten US-Kreisen verkehrenden Milliardärs Epsteins und als rücksichtslose Komplizin bei der Beschaffung minderjähriger Opfer für ihn. Die Verteidigung dagegen porträtierte sie ihrerseits als «Opfer eines narzisstischen Mannes», der die Welt um sich herum manipuliert habe – inklusive Maxwell.
In sechs Punkten angeklagt
Staatsanwältin Lara Pomerantz sagte bei ihrem Eröffnungsplädoyer in dem New Yorker Gericht, Maxwell habe in dem von Epstein betriebenen Missbrauchsring eine entscheidende Rolle gespielt. Sie habe das Vertrauen von Mädchen gewonnen und sie dann ihrem ehemaligen Partner zugeführt. «Sie wusste genau, was passieren würde.» Maxwell ist in sechs Punkten angeklagt. Ihr drohen im Falle einer Verurteilung 80 Jahre Haft.
Die Verteidigung bestritt die Darstellung der Anklage am Montag in ihrem Eröffnungsplädoyer vehement. Es gehe um Verbrechen des 2019 gestorbenen Epsteins, mit denen Maxwell nichts zu tun habe. «Sie ist nicht wie Jeffrey Epstein», sagte Maxwells Anwältin Bobbi Sternheim. Epstein galt als charismatischer Mann und wortgewandter Blender, der sein Gegenüber immer wieder in die Irre führte und für seine Zwecke benutzte.
Maxwell-Anwältin zweifelt an Opfer-Aussagen
Maxwells Anwältin griff die vier Hauptzeuginnen an. Die mutmasslichen Verbrechen seien 15 bis 25 Jahre her: «Wie wir alle wissen, verblassen Erinnerungen mit der Zeit.» Auch hätten sie nach dem mutmasslichen Missbrauch teils weiter Kontakt zum schwerreichen Epstein gehalten oder seien nicht glaubwürdig, weil sie selbst durch Geld und Karriereförderung von diesem profitiert hätten. «Die Geschichte jeder Beschuldigerin ist dünn, es fehlt ihnen an Rückhalt».
Maxwell war am Morgen mit einem hellen Pullover und einer schwarzen Hose bekleidet in den Gerichtssaal in Manhattan gekommen, die kinnlangen Haare trug sie offen. Sie wirkte ernst, konzentriert und zeigte wenig Regung. Einige Male beugte sie sich flüsternd zu ihrem Anwalt. Es sind Eindrücke, die den Fotos vom früheren Luxus-Leben der Frau diametral gegenüber zu stehen scheinen: der mächtige Epstein, wie er seinen Arm um Maxwell legt und sie an sich drückt, während sie in die Kamera lacht. Maxwell mit Tesla-Geschäftsmann Elon Musk (50) nach den Oscars. Maxwell mit Donald Trump (75).
Maxwells Ex-Partner Epstein war der Aufbau eines Prostitutionsrings mit Dutzenden minderjährigen weiblichen Missbrauchsopfern vorgeworfen worden. Ein Prozess im Jahr 2008 endete mit einem vorteilhaften Deal für Epstein, den viele für einen Skandal hielten.
Prominente in Fall verwickelt
Zu einem erneuten Prozess in New York gegen den bestens vernetzten Multimillionär – und Bekannten unter anderem von Bill Clinton (75), Donald Trump, Bill Gates (66) und Prinz Andrew (61) – kam es nie, weil Epstein 2019 tot in seiner Gefängniszelle gefunden wurde. Gerichtsmediziner kamen zum Schluss, dass es Suizid gewesen sei. Im vergangenen Jahr war dann Maxwell verhaftet worden. Viele sehen das Verfahren gegen sie als Stellvertreterprozess.
Die Staatsanwaltschaft bemühte sich am Montag, Maxwell als zentrale Komplizin für Epstein darzustellen. Sie habe die Mädchen angeheuert, auf Epstein vorbereitet, sie ihm «täglich» für sogenannte Massagen zugeführt, bei denen dieser sie sexuell missbraucht habe. Einige Male sei Maxwell bei solchen Übergriffen sogar anwesend gewesen.
«Kultur des Schweigens» aufgebaut
Zudem habe sie eine «Kultur des Schweigens» in Epsteins Anwesen aufgebaut, um die Taten geheim zu halten und sei in jedes Detail in Epsteins Leben eingeweiht gewesen. Ihr Motiv sei gewesen, ihr eigenes Luxusleben in seinem Dunstkreis aufrechtzuerhalten. Am ersten Verhandlungstag blieb dabei offen, ob Maxwell im Laufe des Prozesses selbst aussagen wird.
Ghislaine Maxwell ist die Tochter des legendären britischen Verlegers Robert Maxwell (1923–1991) und kam Anfang der 90er-Jahre nach New York. Sie traf Jeffrey Epstein auf einer der zahlreichen Promi-Partys und war damals zeitweise seine Freundin. Das Umfeld Epsteins beschrieb ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestellter und bester Freundin.
Der Prozess gegen Maxwell wird schätzungsweise sechs Wochen dauern, die Staatsanwaltschaft stützt sich auf vier Hauptzeuginnen. Die zu verhandelnden Fälle reichen von 1994 bis 2004, die mutmasslichen Verbrechen sollen in Epsteins Anwesen in New York, Florida, Santa Fe und London begangen worden sein. (SDA)