Am Donnerstag, 5. Oktober, um Punkt 13 Uhr öffnet sich die goldverzierte Tür der ehrwürdigen Schwedischen Akademie in Stockholm. Ihr ständiger Sekretär Mats Malm tritt heraus, verkündet der versammelten Medienschar den Namen von der Gewinnerin oder vom Gewinner des diesjährigen Literaturnobelpreises und gibt eine kurze Begründung ab.
Wer hatte Louise Glück auf dem Radar?
Bis zu diesem Zeitpunkt spekuliert die Fachwelt über Favoritinnen oder Favoriten, Wettbüros setzen die Quoten fest. Und wie jedes Jahr dürften alle hoch gehandelten Namen nicht zum Zug kommen, denn die Stockholmer Jury hat es sich in den vergangenen zehn Jahren zum Spass gemacht, unberechenbar zu sein.
Oder wer hatte 2015 die weissrussische Autorin Swetlana Alexandrowna Alexijewitsch (75) auf dem Radar, wer 2020 die US-amerikanische Lyrikerin Louise Glück (80) und im Jahr darauf den tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah (74)? Alles Namen, die damals kaum jemand kannte und die heute auch schon fast vergessen sind.
Der Preis ist zwar mit umgerechnet rund 913’000 Franken immer noch hoch dotiert, doch seine Bedeutung schwindet von Mal zu Mal, wenn die Jury weltberühmte Autorinnen und Autoren übergeht. Schliesslich ist der Literaturnobelpreis kein Förderpreis, sondern eine Auszeichnung für ein Lebenswerk, das mehr als ein paar Spezialisten kennen.
Margaret Atwood für einmal nicht Topfavoritin
In den Wettbüros stehen dieses Jahr folgende Namen hoch im Kurs: die Chinesin Can Xue (70), die im deutschsprachigen Raum mit dem Roman «Liebe im neuen Jahrtausend» (2021) für Furore sorgte, und der Norweger Jon Fosse (64), dessen Dramen immer wieder auf den Spielplänen von Schweizer Theaterhäusern stehen.
Bei Can Xue erhält man im Fall eines Gewinns den fünffachen Einsatz, bei Fosse den sechsfachen. Beim US-Amerikaner Thomas Pynchon (86, «Gegen den Tag») ist die Wettquote 1 zu 12, beim Japaner Haruki Murakami (74, «Kafka am Strand») und beim indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie (76, «Die satanischen Verse») nur noch bei 1 zu 15.
Abgeschlagen ist dieses Jahr die ewige Favoritin Margaret Atwood (83, «Der Report der Magd») mit einer Quote von 1 zu 28. Aber vielleicht ist das für Atwood ein gutes Zeichen, wenn sie nicht zu den Topfavoritinnen gehört – denn die haben in den vergangenen Jahren nie gewonnen.
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