Melissa Naschenweng rechnet mit der Branche ab
«Die Schlagerwelt ist ein Haifischbecken»

Melissa Naschenweng ist die bekannteste Schlagersängerin Österreichs. In der Branche machte sie nicht nur gute Erfahrungen, wie sie im Interview erklärt.
Publiziert: 30.10.2023 um 00:31 Uhr
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Melissa Naschenweng gehört zu den grössten Schlagerstars Österreich.
Foto: Lambauer Entertainment/Angelo Lair
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Michel ImhofTeamlead People

Mit ihrer Steirischen Harmonika begeisterte Melissa Naschenweng (33) am Wochenende das Publikum der «grossen Schlagerparty 2023» im Zürcher Hallenstadion. Die Kärntnerin gehört zu den bekanntesten Musikstars aus Österreich. Vier Amadeus Music Awards hat sie bei sich zu Hause, zudem ist sie immer mehr auch in deutschen Schlagersendungen zu sehen, so auch bei Florian Silbereisen (42). Trotzdem sei die Schlagerwelt gar nicht so heil, wie man denkt, sagt die Musikerin, die oftmals als österreichische Antwort auf Helene Fischer (38) betitelt wird. Blick hat sie vor ihrem Auftritt im Hallenstadion getroffen. 

Blick: Wie gehen Sie mit dem Vergleich mit Helene Fischer um?
Melissa Naschenweng: Die Menschen versuchen immer zu kategorisieren und in Österreich wurde ich schon so oft nach Helene Fischer gefragt, dass ich andere Fragen bevorzuge. Klar ist es ein Kompliment, wenn man mit einem so grossen Namen verglichen wird. Trotzdem arbeite ich hart daran, dass ich mir meinen eigenen Namen mache.

Schlagerkollegin Maite Kelly hat Ihnen eine grosse Zukunft prophezeit: Sie sagte, Sie werden der grösste Volksmusikstar aller Zeiten.
Ich stand da daneben und war baff. Sie meinte schon vor einem halben Jahr zu mir, dass ihr das, was ich mit meiner Ziehharmonika mache, so gut gefällt und ich eine Powerfrau sei. Ein wunderbares Kompliment. 

Türen öffnen sich: Auf dem Weihnachtsalbum von Roland Kaiser sind Sie auch vertreten.
In diesem Jahr habe ich so viele Sachen erlebt, die kann ich noch gar nicht richtig fassen. Wie auch mit Roland Kaiser im Studio in Berlin zu stehen. Das ist so schön, dass es in der Branche auch Menschen gibt, die einem auch etwas gönnen.

Ist das nicht immer so?
Ich finde es total schade, dass das Schlagergeschäft so ein Haifischbecken ist. Das wurde mir zwar immer erzählt, geglaubt habe ich es aber lange nicht. Heute weiss ich: Es ist überhaupt kein Kindergeburtstag. Was hinter den Kulissen abgeht, ist filmreif.

Wieso?
Ich erlebe viel Missgunst. Vor allem wir Frauen sollten uns gegenseitig unterstützen und uns auch mal Komplimente machen. Vieles ist total auf den Erfolg bezogen. 

Was ist für Sie Erfolg?
Als ich bei der Taufe des Sohnes meiner Cousine dabei war, habe ich mir diese Frage auch gestellt. Was ist denn das für ein schöner Erfolg, ein gesundes Kind zur Welt bringen! Es geht nicht nur um die Anzahl verkaufter Alben. Klar: Ich freue mich über jeden Menschen, der zu meinem Konzert kommt, aber ich setze mich nicht mit Zielen unter Druck. Und ich freue mich auch über Erfolge von Helene Fischer, Roland Kaiser, Maite Kelly und Andrea Berg. 

Gelästert wird doch immer.
Ich versuche, immer nur gut über Menschen zu reden. Ich glaube, negative Sachen kommen irgendwann in irgendeiner Form wieder zurück. Darum finde ich es auch so schade, was im Internet geschrieben wird. Weil ich meine Social-Media-Kanäle selbst betreue, lese ich viel zu viele Reaktionen. 

Dort werden Sie oft für Ihre knappen Outfits kritisiert.
Das wiege ich mittlerweile ab: Es sind da etwa zwanzig, die kritisieren und Tausende, für die das kein Thema ist. Im Schwimmbad regt sich auch keiner auf, wenn sich jemand im Bikini präsentiert. Mittlerweile habe ich echt ein dickes Fell, so schnell bringt mich nichts mehr aus der Fassung.

Die Schlagersängerin Michelle hat sich auch aus der Branche zurückgezogen. «Das war's für mich» heisst ihr Lied. Verstehen Sie, dass es ihr in der Musikbranche zu viel wird?
Ich kann mir das schon vorstellen. Man kommt blind und naiv in die Branche rein und glaubt, jeder sei dein Freund. So ist das auch bei mir, ich mag Menschen. Ein Vorteil auf der Bühne, nicht aber unbedingt im Business. Und auch ich habe in diesem Jahr mein Team ausgewechselt, das gehört zu einer Karriere. Natürlich bin ich dankbar für die Zeit, hinter den Kulissen ging es aber auch anders zu.

Persönlich: Melissa Naschenweng

Melissa Naschenweng wuchs im Lesachtal im österreichischen Bundesland Kärnten auf und lernte von ihrem Papa das Handorgelspiel. 2010 erreichte sie beim Volksmusik-Grand-Prix «Melodie der Alpen» den zweiten Platz, ebenso 2012 im Nachswuchswettbewerb beim Musikantenstadl. Ihre letzten drei Alben landeten in ihrer Heimat auf Platz 1 der Hitparade, in der Schweiz in den Top 5. Naschenweng ist in einer Beziehung mit Toni Gabalier (29), dem Bruder des österreichischen Schlagerstars Andreas Gabalier (38).

Mit ihrer Handorgel wurde Melissa Naschenweng zum Schlagerstar.
IMAGO/Daniel Scharinger

Melissa Naschenweng wuchs im Lesachtal im österreichischen Bundesland Kärnten auf und lernte von ihrem Papa das Handorgelspiel. 2010 erreichte sie beim Volksmusik-Grand-Prix «Melodie der Alpen» den zweiten Platz, ebenso 2012 im Nachswuchswettbewerb beim Musikantenstadl. Ihre letzten drei Alben landeten in ihrer Heimat auf Platz 1 der Hitparade, in der Schweiz in den Top 5. Naschenweng ist in einer Beziehung mit Toni Gabalier (29), dem Bruder des österreichischen Schlagerstars Andreas Gabalier (38).

Was meinen Sie damit?
Ich erinnere mich an den zweiten Tag meiner «Bergbauern-Tour», da ist meine Oma im Alter von 96 verstorben. Und wenn ich überleg, wie wenig Empathie und Mitgefühl mir hinter den Kulissen entgegengekommen ist, macht mich das schon traurig. Ich wusste nicht, wie ich das Konzert zu Ende bringen sollte und fühlte mich wie eine Maschine, die funktionieren muss. Nach dem Auftritt bin ich hingesessen und habe geweint. 

Was gab Ihnen Kraft?
Ich habe immer eine kleine Kerze dabei, die ich anzünde und anschliessend mit meiner Oma kommuniziere. Dabei bitte ich sie um Kraft, wenn mir Steine in den Weg gelegt werden. Ich frage mich oft, wieso jemand hofft, dass ich falle. Aber ich interessiere mich auch sehr für Psychologie und denke, das hat mit mangelndem Selbstwert zu tun. Ich wünsche jedem, dass er mit sich selbst zufrieden sein kann. Das eröffnet viel mehr Chancen, als wenn man sich aufs Schlechte konzentriert. 

Das klingt alles sehr anstrengend. Wie bewahren Sie kühlen Kopf?
Auch wenn ich viel unterwegs bin, schaue ich, dass ich ein bis zweimal im Monat zu Hause bei mir in den Kärntner Bergen bin. Da ist die Idylle, 33 Einwohner. Da gehst du zum Nachbarn Kaffee trinken und Kuchen essen und sprichst über ganz normale Dinge wie die Bäume, die Natur und das Kirchengehen. Und ich habe schon in frühen Jahren gelernt, dass man aus jeder schlechten Situation auch eine Gute machen kann. 

Eine Neuauflage ihres Albums «Glück», mit dem Titel «Pures Glück», erscheint am 10. November. Was ist ihr Glückstipp?
Den hat mir meine verstorbene Oma mitgegeben. Sie meinte zu mir: «Melissa, das Leben ist schön. Von einfach war aber nie die Rede. Wenn du ins Bett gehst, solltest du für zwei, drei Sachen Danke sagen. Dankbarkeit ist ein Schlüssel zum Glück.» Seither gehe ich vor dem Schlafen solche Dinge durch: Wenn schönes Wetter war, wenn ich Freunde getroffen habe. Und ich bin überzeugt: Dass ich solche kleinen Sachen zu schätzen weiss, macht mich glücklich.

Melissa Naschenweng tritt am 8. November 2024 in Burgdorf und am 9. November 2024 in Frauenfeld auf. Tickets gibts bei Ticketcorner.  

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