«La Boum»-Star Sophie Marceau
«Die magische Pille habe ich noch nicht entdeckt»

Ab dem 29. April ist Sophie Marceau in «I Love America» zu sehen. Im Interview spricht die Schauspielerin über ihren neuen Film, das Älterwerden und den Tod.
Publiziert: 24.04.2022 um 12:04 Uhr
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Mit «La Boum» wurde Sophie Marceau in den 80er-Jahren zum Teenie-Idol. Der internationale Durchbruch gelang ihr 1995 mit «Braveheart».
Jean-Claude Galli

In «I Love America» spielt Sophie Marceau (55) eine Regisseurin, die in den USA ihr Leben umkrempelt und sich mit der Hilfe ihres besten Freundes neu verliebt (ab 29. April auf Amazon Prime). Der Film ist die dritte Zusammenarbeit von Marceau und Lisa Azuelos (56) sowie eine Hommage von Azuelos an ihre Mutter, die Chansonsängerin Marie Laforêt (1939–2019).

Frau Marceau, seit «La Boum» 1980 gelten Sie als Expertin in Sachen grosser Liebe. Damals lernte man sich an Partys kennen, seither hat sich viel verändert – ausser Ihrer Frisur. Was halten Sie von Dating-Apps, wie sie im Film vorkommen?
Sophie Marceau: Ich glaube, in der Liebe ist alles möglich. Vor allem dann, wenn man gar nicht damit rechnet und überrascht wird. Ich habe selber zwar keine Erfahrungen mit solchen Onlinegeschichten und bin also keine Spezialistin in dieser Hinsicht, habe aber schon viele schöne und berührende Geschichten gehört, auch aus meinem Umfeld.

Also sind solche Plattformen nötig?
Obschon wir heute so viel mehr Kommunikationsmöglichkeiten haben als früher, sind sehr viele Menschen sehr einsam und haben die grösste Mühe, jemanden kennenzulernen. Sie haben vor lauter Fortschritt und Tempo ganz einfach verlernt, wie das geht. Deshalb sind solche Angebote sicher eine gute Möglichkeit, weil sie alle Bedürfnisse abdecken und für alle etwas anbieten. Jeder kann finden, was er sucht.

«I Love America» ist heiter. Der Film hat aber auch melancholische Phasen, wenn es ums Älterwerden geht. Haben Sie selber Angst davor?
Natürlich. Ich glaube, jeder hat Angst vor dem Älterwerden – alles andere wäre gelogen. Das ist ja auch menschlich. Je älter man wird, desto näher rückt der Tod. Dazu kommt, dass gerade wir Frauen mit den Jahren zunehmend unter Druck geraten. In dieser Gesellschaft haben wir bestimmte Rollen und Aufgaben. Die Fruchtbarkeit ist wichtig. Schwindet sie, wird unsere Position infrage gestellt. Das ist das Bild, das alle im Kopf haben. Aber wir müssen davon loskommen und diese Komplexe abschütteln. Wir haben ein zweites und ein drittes Leben, mit 50 und auch später. Wir haben unsere Reize – nicht nur, wenn wir ganz jung sind. Es kommt bloss darauf an, dass jemand weiss, wie er dich anschauen muss. Das Problem ist, dass wir so fixiert sind auf Jugendlichkeit. Wir leiden am Wahn, ewig jung sein zu wollen. Wir idealisieren diese Phase, als wären wir alle Superwoman und Superman, aber das sind wir nicht. Wir sind alle sterblich und müssen das akzeptieren. Das ist der Punkt, bei dem wir alle gleich sind – auch wenn Älterwerden sehr ermüdend sein kann, hier und da etwas wehtut, alles schwieriger wird, und bei den Frauen ist es noch komplizierter.

Im Film schwindeln Sie bezüglich Ihres Alters. Haben Sie das im richtigen Leben auch schon getan?
Das kann ich nicht, weil alle sofort nachschauen können, was ich für einen Jahrgang habe (lacht). Aber was habt Ihr alle nur immer wieder mit meinem Alter? Seit ich Interviews geben muss, werde ich immer nach meinem Alter gefragt. Seit gut 40 Jahren verfolgt mich das jetzt. Als ich mit 13 «La Boum» drehte, sagten die Leute: «Oh mein Gott, du bist so jung.» Und jetzt sagen die Leute: «Schau, wie sie älter geworden ist» – manche behutsam, andere weniger. Aber für mich ist das okay, ich kann damit umgehen. Ich kann in Bezug auf mein Alter nicht lügen, selbst wenn ich es wollte.

Sophie Marceau: Teenie-Idol der 80er

Die gebürtige Pariserin Sophie Marceau (55) stellte sich als 13-Jährige für die Rolle der Vic in «La Boum – Die Fete» vor. Der 1980 erschienene Film und das Sequel «La Boum 2 – Die Fete geht weiter» machten Marceau zum Teenager-Idol der 80er-Jahre. Der internationale Durchbruch gelang ihr 1995 mit «Braveheart», 1999 war sie in «James Bond 007 – Die Welt ist nicht genug» zu sehen. Ihr Regiedebüt «Parlez-moi d'amour» folgte 2002. Marceau war 17 Jahre lang mit dem polnischen Regisseur Andrzej Zulawski (1940–2016) liiert, ihr Sohn Vincent wurde 1995 geboren. Aus ihrer Beziehung mit dem US-Produzenten Jim Lemley (57) stammt ihre 2002 geborene Tochter Juliette.

Die gebürtige Pariserin Sophie Marceau (55) stellte sich als 13-Jährige für die Rolle der Vic in «La Boum – Die Fete» vor. Der 1980 erschienene Film und das Sequel «La Boum 2 – Die Fete geht weiter» machten Marceau zum Teenager-Idol der 80er-Jahre. Der internationale Durchbruch gelang ihr 1995 mit «Braveheart», 1999 war sie in «James Bond 007 – Die Welt ist nicht genug» zu sehen. Ihr Regiedebüt «Parlez-moi d'amour» folgte 2002. Marceau war 17 Jahre lang mit dem polnischen Regisseur Andrzej Zulawski (1940–2016) liiert, ihr Sohn Vincent wurde 1995 geboren. Aus ihrer Beziehung mit dem US-Produzenten Jim Lemley (57) stammt ihre 2002 geborene Tochter Juliette.

Jetzt stapeln Sie aber etwas tief. Im Film sehen Sie jedenfalls grossartig aus. Was ist Ihr Rezept dafür?
Ich weiss es nicht, ganz ehrlich. Das Kino kann Leute schöner machen, magisch sein, schöne Märchen und Lügen erzählen. Was ich sagen kann, ist, dass ich mich gesund und wohl in meiner Haut fühle. Das ist mir sehr wichtig. Ich möchte noch etwas weitermachen als Schauspielerin und vorerst nicht an den Ruhestand denken müssen. Deshalb versuche ich auch, meinem Körper und meiner Gesundheit Sorge zu tragen. Ich mache nichts Spektakuläres, aber alles, was in meiner Macht steht und verträglich ist.

Also haben Sie kein Geheimnis?
Nein, die magische Pille habe ich wirklich noch nicht entdeckt.

Der Tod ist ein tragendes Thema in «I Love America» und auch in «Tout s'est bien passé» von François Ozon, in dem Sie zurzeit ebenfalls zu sehen sind ...
Ich finde es wichtig, den Tod in meiner Arbeit zu thematisieren. Der Tod ist ein Tabu. Den Leuten ist es unangenehm, darüber zu sprechen. Ozons Film geht humorvoll damit um und auch politisch nicht immer ganz korrekt. Es geht darum, selber bestimmen zu können, wann man geht und wann nicht. Das ist die Freiheit, über die jeder verfügen können sollte. Solche Themen bergen Tiefe und sprechen mich an, weil sie alle Möglichkeiten aufzeigen, die den Menschen zustehen. Das gilt auch für «I Love America»: Wenn man sieht, dass auch andere Menschen solche Themen umtreiben, fühlt man sich weniger allein – jedenfalls mir geht es so.

Eine weitere wichtige Komponente in beiden Filmen ist die Eltern-Kinder-Komponente. Sie sind selber zweifache Mutter. Wie schätzen Sie Ihre diesbezüglichen Qualitäten ein?
Jede Mutter spürt diese Angst in sich, keine gute Mutter zu sein und den Ansprüchen – jenen von aussen und eigenen – nicht zu genügen. Kinder grosszuziehen, ist vermutlich die komplizierteste Sache der Welt. Diese Wesen sind so zerbrechlich, diffizil und bedürftig. Ich habe mich immer sehr um mein Muttersein gesorgt. Mich gefragt: Mache ich alles richtig? Und was ist überhaupt richtig? Ich habe mich irgendwann entschieden, Kinder zu haben, und deshalb bin ich auch für sie verantwortlich – egal, was passiert. Jedenfalls bis zu jenem Moment hin, ab dem sie auf eigenen Beinen stehen können. Ich habe immer versucht, möglichst keine schlechte Mutter zu sein. Ich gebe hoffentlich mein Bestes und bekomme es irgendwie auf die Reihe.

In «I Love America» gibt es eine grandiose Szene, als Ihnen der Taxifahrer, der auch Schauspieler ist, seine Szene vorspielt, die er am nächsten Tag bei einem Vorsprechen zeigen soll, und Sie als Regisseurin nach Ihrer Meinung fragt. Was haben Sie selber für Erfahrungen mit Auditions gemacht?
Ich hatte eigentlich nur einmal eine Audition-Szene, das war für «La Boum». Aber damals war ich noch keine wirkliche Schauspielerin und wusste gar nicht richtig, was ich da tue. Damals war ich einfach mich selber. Dann wurde ich berühmt und bekam die meisten Rollen angeboten. Nur in den USA musste ich mich ein paar Mal bei solchen Gesprächen vorstellen. Ich hatte kein Training dafür. Und weil ich eine Instinkt-Schauspielerin bin, habe ich alles nach dem Gespür gemacht. Was sich als katastrophal erwies. Ich war viel zu emotional und überhaupt nicht professionell. Ich hatte Glück, dass ich dann doch ein paar Mal ausgewählt wurde (lacht). Ich bin also definitiv nicht gut beim Vorsprechen.

Wie würden Sie die Quintessenz von «I Love America» beschreiben?
Die Vergangenheit können wir nicht ändern. Aber wir können Dinge aus der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft holen, wo sie vielleicht in einem anderen Licht erscheinen oder wir sie verwandeln können. Wenn man an sich selber arbeitet und auf sich und der Liebe vertraut, kann man Dinge beeinflussen. Du bist nicht nur ein Opfer deiner Herkunft. Es geht nicht nur darum, wo du geboren und aufgewachsen bist und wie du erzogen wurdest, sondern du hast durchaus die Macht und die Mittel, etwas zu verändern. Wenn du über dein Leben verfügen kannst, solltest du etwas daraus machen, alles andere wäre reine Verschwendung.

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