Den ‹Teddybär› kann ich im Schlaf. Ich habe ihn schon viele tausend Male gesungen.» Jonny Hill (82) prostet Däniel Hofstetter (60) mit einem Whisky zu. Die beiden besten Freunde sitzen im Saloon des «Bonanza» in Amlikon-Bissegg TG, einem Country-Speise-Tanzlokal. Hofstetter ist Besitzer und Chef des Betriebs, Jonny Hill lebt mit Ehefrau Helga (84) in der Nachbarschaft. «Tritt Jonny hier auf, kommen die Leute von weit her, dann ist der Laden rappelvoll», erzählt Hofstetter. Zwei Stunden sitzt Hill dann jeweils auf einem Barhocker und singt seine Lieder. Alle mit Tiefgang. Die Countrymusik, die Hills typischen Sprechgesang hinterlegt, kommt vom iPad. Das Publikum hängt an den Lippen des bescheidenen Künstlers – und wartet auf «Ruf Teddybär 1-4». Den Kultsong bringt der Mann mit dem bürgerlichen Namen Feri Gillming immer als Zugabe, dann wird es jeweils ruhig im Saal. Ein Lastwagenfahrer sagte einst zu ihm: «Ich hab das Lied schon 100-mal gehört, jedes Mal mit Tränen in den Augen.»
In seinem berühmtesten Lied erzählt Jonny Hill von einem Jungen im Rollstuhl, der einem Trucker per Funk von seinem Schicksal erzählt. Die Ballade hat Hill 1978 geschrieben. Aus persönlicher Betroffenheit: Sein damals elfjähriger Sohn Andreas, das zweite Kind von ihm und Ehefrau Helga, war mit zwei Jahren an schwerer Epilepsie erkrankt und seither stark behindert. Für ihn komponierte Hill den Teddybär-Song. «Fragt mich heute einer: ‹Was ist Glück?›, zitiere ich Andreas, der kaum sprechen konnte: ‹Papa, ich bin Teddybär!›» 2021 ist Hills Sohn verstorben.
Eine eigene TV-Sendung
In den 1970er-Jahren singt Jonny Hill mehrmals mit Paola Felix (72) in Kulturhäusern der DDR. Bald ist Hill hinter dem Eisernen Vorhang der gefragteste westliche Musiker. Der Durchbruch im Westen gelingt ihm aber erst mit «Ruf Teddybär 1-4». Dafür gibt es Goldene Schallplatten und Auftritte bei Hans-Joachim Kulenkampffs (1921–1998) «Einer wird gewinnen» sowie anderen TV-Shows. Mit «Kilometer 330» erhält er sogar eine eigene Musiksendung auf RTLplus. Tourneen weltweit folgen, später steht er auf der Bühne mit Francine Jordi (46), Andy Borg (62) oder den Bellamy Brothers. «Ruf Teddybär 1-4» ist eines der meistgespielten deutschsprachigen Lieder. «Ich schaue den Leuten auf den Mund. War immer ein positiver Mensch.»
Vielleicht eine Abschiedstournee
«Danke für den Drink», sagt Jonny beim Abschied zum «Bonanza»-Chef. Zurück daheim, wird er von Ehefrau Helga, einer gebürtigen Tirolerin, von der Terrasse aus mit einem Winken begrüsst. Seit 59 Jahren sind die beiden verheiratet. «Sie ist die Liebe meines Lebens! Eine Affäre hatte ich nie.» Bei vielen seiner Auftritte war Helga hinter der Bühne. Vor 25 Jahren sind sie gemeinsam von der Lüneburger Heide in die Schweiz gezogen, seit acht Jahren geniessen sie die Zweisamkeit in Amlikon-Bissegg. Obwohl Jonny noch fit ist, tritt er nur noch ein Dutzend Mal auf im Jahr. «Vielleicht gibts eine Abschiedstournee – um Danke zu sagen.»
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Jetzt kümmert er sich erst mal um seine Helga. Nach 16 Rückenoperationen ist ihre Mobilität beeinträchtigt. Jonny hilft ihr beim Schuheanziehen, führt sie an den Rheinfall aus. Abends trinken sie gern ein Glas Rotwein. «Ich hab den liebsten Mann auf der Welt.» Dreimal pro Woche geht Jonny golfen, sein Handicap: 14,3. Kürzlich hat ihn beim Einkaufen eine Frau angesprochen: «Diese Stimme kenne ich doch! Ist das die vom ‹Teddybär›?»
An diesem Tag wirds ein bisschen später. Jonny fährt ins SRF-Radiostudio in Zürich. Dort ist er in der Sendung «Nachtexpress» zu Gast bei Krispin Zimmermann (47). Seit fünf Jahren führt der Moderator auch durchs «Wunschkonzert», und in beiden Sendungen gehört «Teddybär 1-4» zu den meistgewünschten Musikstücken. Hill sitzt vor dem Mikrofon, die Telefonleitungen laufen heiss. Ein paar Anruferinnen haben Glück, können live mit Jonny plaudern. Eine Frau sagt: «Du bist so ehrlich! Deine Lieder spenden Trost und Kraft.» Und dann endlich: «Ruf Teddybär 1-4»! «Ich bin so dankbar, dass mir dieses Lied gelungen ist. Ich singe es immer wieder gern. Es hält mich jung, weil es zeigt, dass man auch in schwierigen Zeiten noch Gefühle zeigen kann.» Der «Teddybär 1-4» macht Jonny Hill glücklich – weil er so viele glücklich macht.
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