Es war ein Abend der Superlative: Adele gab am Freitag die Premiere ihrer Konzertreihe in München (D). In der eigens für sie gebauten Adele Arena auf dem Messegelände der bayerischen Landeshauptstadt trat sie nach einem kurzen, aber intensiven Regenschauer mit rund 45 Minuten Verspätung auf die Bühne – der Stimmung tat das aber keinen Abbruch.
Schon ab der ersten Sekunde hatte die Musikerin mit dem Hit «Hello» ihr Publikum fest im Griff. Sie gab sich nahbar, war während der ersten paar Lieder immer wieder sichtlich emotional wegen der Menschenschar, die nur ihretwegen nach München gekommen war. 74’000 Personen! Zehnmal wird die britische Ausnahmekünstlerin im August vor so vielen Menschen auftreten. Für die optimale Sicht wurde ein gewellter XXL-Bildschirm mit einer Breite von 220 Metern installiert, die Tribünen wirkten ein bisschen wie an einem eidgenössischen Schwingfest. Adele selbst stolziert auf einem kreisförmigen Laufsteg mit 94 Meter Radius. «Ist dieser Ort nicht verrückt? Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so etwas gesehen», sagte die Sängerin.
Adele-Chilbi um die temporäre Megaarena
Für die Münchner Shows wurde eine Adele-Chilbi erschaffen. Mit dem Schriftzug «Servus on the other side» wurde das Publikum am Messeturm willkommen geheissen. Danach tauchten Besuchende auf 400'000 Quadratmetern – fast 60 Fussballfelder – in die Adele-Welt ein.
Eine Spice-Girls-Coverband spielte auf einer kleineren Bühne, die später zur Karaokebar umfunktioniert wurde. Eine Blasmusik spielte im Biergarten mit eigenem Riesenrad. Es gab ein Kettenkarussell und eine Weinbar, die nach Adeles Song «I Drink Wine» benannt ist. Nachgebaut wurde das Londoner Pub «The Good Ship», in dem die Hitmacherin ihren ersten Auftritt hatte und ihren ersten Vertrag unterschrieb. Auch ihr Lieblingsdrink wurde verkauft: «Adele Spritz».
Spezieller Adele-Humpen
Wild ging es im Zelt für die Fanartikel zu und her. «Das ist ja schlimmer als im Disney-Laden», meinte eine Frau beim Einkauf mit einem Lachen. Witzig: Adele liess sogar einen Bierkrug – passend zu München – produzieren. Sie selbst trank während des Konzerts daraus, Anhänger konnten ihn für 40 Euro erwerben. «Mögt ihr meinen Oktoberfest-Humpen? Ich wäre schnell so was von betrunken auf den Wiesn!», meinte Adele dazu.
Einschenken wird die Konzertreihe nicht nur bei der Sängerin, sondern auch bei der Stadt München. Die Behörden rechnen mit einem Umsatz von 563 Millionen Euro – rund halb so viel wie bei zwei Wochen Oktoberfest. Trotzdem: «Ein übernachtender Adele-Besucher hat fast doppelt so viel Wirtschaftswert wie ein normaler Übernachtungsgast», hiess es bei der Pressekonferenz bei der Bekanntgabe der Konzertreihe von Adele im Februar.
«Adele hat einen brillanten Sinn für Humor»
Eigentlich tritt die Sängerin seit längerem fast ausschliesslich in Las Vegas (USA) auf. Die Münchner Konzerte sind die ersten Shows der Musikerin auf europäischem Festland seit 2016. Das wollen auch Fans aus aller Welt nicht verpassen. Mexico, Japan, Südafrika – kein Weg ist zu weit. Und natürlich ist auch Adeles Heimatland zahlreich vertreten.
Beispielsweise durch Michelle Hay (54) aus dem englischen Staffordshire. Sie war in Sydney (Australien), als der Ticketverkauf für die Adele-Konzerte starteten. «Also habe ich mir mitten in der Nacht diese Onlinewarteschlange angetan», erzählt sie. Sie habe sie schon 2016 bei ihrer Tournee gesehen, nun folgte die nächste Gelegenheit. «Sie ist einfach umwerfend, hat eine tolle Stimme, einen brillanten Sinn für Humor und ist einfach unterhaltsam», schwärmt sie.
800 Euro für Tickets, 1000 fürs Hotel und 600 für die Flüge
Für Lewis Hodder von der britischen Kanal-Insel Jersey war es ein ganz besonderer Tag. Er feierte am Konzert seinen 24. Geburtstag und hat seine Mutter mit nach München gebracht. «Ich habe 800 Euro für zwei Tickets bezahlt. Hinzu kommen 1000 Euro für die Hotelübernachtungen und 600 Euro für die Flüge», erzählt er. «Ich liebe Adele. Sie lässt mein Herz höherschlagen.»
Dass ein Star so viele Fans aus der Welt an einem Ort vereint, ist in Las Vegas schon länger der Fall. Ausserhalb der Sündenstadt ist dieses Konzept aber neu. «Adele ist eine Ausnahme und ein grosses Experiment. Stadiontourneen werden die Regeln bleiben», erklärt Sebastian Pichel, Produktionsmanager für Adele bei der Veranstalterin Live Nation. Produktionen an fixen Standorten seien nur «bei ganz bestimmten Stars möglich».
Adele beschenkte Fans im Publikum
Auch für Adele scheinen die Konzerte in München etwas Besonderes zu sein. «Bei Stadionkonzerten war ich immer nervös und konnte sie nicht geniessen. Ich hoffe, dass ich hier mehr Erinnerungen mitnehmen kann, weil ich zehnmal hier spiele», sagt sie. Es habe ihr noch nie so viel Spass bereitet, eine Show auf die Beine zu stellen.
Dies merkte man Adele an. Während 2 Stunden und 15 Minuten spielte sie 21 Lieder und interagierte immer wieder mit dem Publikum. «Ich gehe nicht so viel aus dem Haus, darum rede ich jetzt so viel», scherzte sie. Kostümwechsel gibt es nicht, dafür einen Heiratsantrag unter Fans und signierte T-Shirts, die mit von Adele-Handkanonen weit ins Publikum geschossen werden. Den siebenjährigen Dion aus Stuttgart (D) holte sie auf die Bühne für ein Foto. Unter einem Sitz wurde zudem durch ihr Team ein Umschlag mit 50 Euro befestigt. «Kauft euch einen Drink!», riet Adele.
Mit «Rolling in the Deep» und einem grossen Feuerwerk ging das Adele-Spektakel in München zu Ende. Und während bei ihren Shows in Las Vegas Anhänger sich in den Hotelanlagen in den Clubs und Casinos vergnügten, wurde in Bayern beim Karaoke der Adele World weitergefeiert und -gejubelt. München scheint – zumindest im August – das bessere Las Vegas zu sein.