Schweizer Moderatorin in der Kritik
Michelle Hunzikers Stiftung liess Gewaltopfer hängen

Gemeinsam mit einer mächtigen italienischen Politikerin gründete Michelle Hunziker eine gemeinnützige Stiftung, die Frauen vor Gewalt und Missbrauch schützen sollte. Gerichtsdokumente zeigen nun: Vieles war Fassade.
Publiziert: 24.02.2024 um 20:20 Uhr
|
Aktualisiert: 25.02.2024 um 11:59 Uhr
1/6
Nur Werbung, keine Hilfe: So lautete der Vorwurf einer italienischen Journalistin gegenüber Michelle Hunziker (r.) und der Anwältin und Politikerin Giulia Bongiorno.

Michelle Hunziker (47) tauchte letzte Woche so richtig ab – auf den Malediven. Von dort versorgt sie ihre 5,7 Millionen Fans auf Instagram mit perfekten Bildern aus dem Paradies. Zeitgleich bekam das bis ins letzte Detail kontrollierte Image des wohl grössten Schweizer Entertainment-Stars Kratzer. 

In der Schweiz, Deutschland und Italien vermeldeten Zeitungen (auch Blick) ein Gerichtsurteil, das ein Schlaglicht auf Hunzikers Engagement in Italien wirft. Es geht um eine Stiftung gegen Gewalt und Missbrauch – und vermeintlich falsche Versprechungen. Doch Michelle Hunziker konzentrierte sich erst mal auf Wasserschildkröten und Delfine. 

Zwei mächtige Frauen für eine gute Sache

Der Ursprung dieser Geschichte liegt weit zurück: 2007 gründete Michelle Hunziker gemeinsam mit der Politikerin Giulia Bongiorno (57) die gemeinnützige Stiftung Doppia Difesa (auf Deutsch: Doppelte Verteidigung). Ziel: Opfer von Gewalt und Missbrauch schützen – primär Frauen. Mit Lobbying und Prävention. Aber auch mit ganz konkreten Telefonberatungen im Notfall. Zwei mächtige Frauen, gemeinsam für eine gute Sache: Michelle Hunziker ist im 58-Millionen-Einwohner-Land Italien ein nationaler Showstar, Anwältin Bongiorno in der italienischen Politik ein Schwergewicht. Sie war 2018 bis 2019 Ministerin für öffentliche Verwaltung, verteidigte den siebenfachen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti im legendären Mafia-Prozess. Derzeit sitzt sie für die rechte Partei Lega im italienischen Senat. 

Alles lief gut. Bis 2018 die Journalistin Selvaggia Lucarelli (49) in der Zeitung «Il Fatto Quotidiano» die Stiftungsgründerinnen Hunziker und Bongiorno mit schweren Vorwürfen eindeckte: Die Stiftung sei viel PR in eigener Sache, biete aber wenig Hilfe für bedrohte Frauen.

Hunziker und Bongiorno reagierten heftig. Sie verklagten Lucarelli wegen Verleumdung. Im italienischen Magazin «Oggi» sagte Hunziker 2018: «Wir werden alle Frauen, denen wir im Laufe der Jahre geholfen haben und in diesen Stunden helfen, als Zeugen vorladen. Und wir werden gewinnen. Alles, was gegen uns geschrieben wurde, ist falsch.» Doppia Difesa würde pro Jahr 2000 Frauen helfen. An Lucarelli gerichtet sagte Hunziker: «Es ist schade, dass eine Frau das getan hat. Sie hätte mich anrufen können, und wir hätten uns erklärt.»

Stiftung war dysfunktional

Fast sechs Jahre vergingen. Am 27. Dezember fällte ein Gericht im sardinischen Cagliari das Urteil. Die Richter sprachen die Journalistin Lucarelli frei. Blick liegen die Gerichtsakten des Tribunale di Cagliari vor. Im Zuge des Verfahrens prüften italienische Justiz und Kriminalpolizei die Vorwürfe gegen die Journalistin minuziös – und ermittelten umfangreich zu Organisation und Aufbau der Stiftung.

«Das hat Michelle Hunzikers Glaubwürdigkeit geschadet»

Die Journalistin Selvaggia Lucarelli (49) ist in Italien ein Name. Sie hat aufgedeckt, wie Instagram-Star Chiara Ferragni einen Weihnachtskuchen für einen guten Zweck vermarktete, die Einnahmen aber grösstenteils einsackt. Die Hintergründe zur Stiftung Doppia Difesa von Michelle Hunziker und der Politikerin Giulia Bongiorno gehen ebenfalls auf ihre Recherchen zurück.

Frau Lucarelli, glauben Sie, Michelle Hunziker wird versuchen, den Fall weiterzuziehen?
Selvaggia Lucarelli: Nein. Der Richter hat eine sehr gründliche Untersuchung durchgeführt. Michelle Hunziker und Giulia Bongiorno haben keinen Einspruch eingelegt. Sie waren offensichtlich der Meinung, dass die Untersuchung einwandfrei war.

In Deutschland und der Schweiz berichteten einige Zeitungen über Ihren Freispruch und die dysfunktionale Stiftung von Michelle Hunziker. In Italien weniger. Wieso?
Weil Michelle Hunziker ihre Stiftung mit einer sehr mächtigen Politikerin und Anwältin begründete: Giulia Bongiorno. Sie ist eine gefürchtete Politikerin von Salvinis Lega, sie ist Mitglied der Justizkommission, sie war Ministerin. Bongiorno ist sehr geschickt im Umgang mit der Presse. Wenn Chiara Ferragni ihre Firma mit ihr gegründet hätte, würde man in Italien vielleicht weniger über Pandoro reden!

Was bedeutet die Affäre Doppia Difesa aus Ihrer Sicht für Michelle Hunziker?
Michelle Hunziker hat ihre Popularität und ihr Image in Italien mit dem Kampf gegen Gewalt an Frauen verbunden. Ich glaube nicht, dass sie unehrlich ist. Das Thema liegt ihr am Herzen – aber leider zu oberflächlich. Sie rührt die Werbetrommel, macht Fotoshootings, geht in TV-Talkshows – aber sie überprüft nicht, ob die Büros ihrer Stiftung genug Ressourcen haben – und ob den Frauen, die Hilfe suchen, schnell geholfen wird. Stattdessen nannte sie mich eine Lügnerin. Das hat ihrer Glaubwürdigkeit geschadet, was ich bedaure, denn ihr Anliegen war nobel.

Journalistin Selvaggia Lucarelli hat die Machenschaften der Stiftung aufgedeckt.
WireImage, Getty Images

Die Journalistin Selvaggia Lucarelli (49) ist in Italien ein Name. Sie hat aufgedeckt, wie Instagram-Star Chiara Ferragni einen Weihnachtskuchen für einen guten Zweck vermarktete, die Einnahmen aber grösstenteils einsackt. Die Hintergründe zur Stiftung Doppia Difesa von Michelle Hunziker und der Politikerin Giulia Bongiorno gehen ebenfalls auf ihre Recherchen zurück.

Frau Lucarelli, glauben Sie, Michelle Hunziker wird versuchen, den Fall weiterzuziehen?
Selvaggia Lucarelli: Nein. Der Richter hat eine sehr gründliche Untersuchung durchgeführt. Michelle Hunziker und Giulia Bongiorno haben keinen Einspruch eingelegt. Sie waren offensichtlich der Meinung, dass die Untersuchung einwandfrei war.

In Deutschland und der Schweiz berichteten einige Zeitungen über Ihren Freispruch und die dysfunktionale Stiftung von Michelle Hunziker. In Italien weniger. Wieso?
Weil Michelle Hunziker ihre Stiftung mit einer sehr mächtigen Politikerin und Anwältin begründete: Giulia Bongiorno. Sie ist eine gefürchtete Politikerin von Salvinis Lega, sie ist Mitglied der Justizkommission, sie war Ministerin. Bongiorno ist sehr geschickt im Umgang mit der Presse. Wenn Chiara Ferragni ihre Firma mit ihr gegründet hätte, würde man in Italien vielleicht weniger über Pandoro reden!

Was bedeutet die Affäre Doppia Difesa aus Ihrer Sicht für Michelle Hunziker?
Michelle Hunziker hat ihre Popularität und ihr Image in Italien mit dem Kampf gegen Gewalt an Frauen verbunden. Ich glaube nicht, dass sie unehrlich ist. Das Thema liegt ihr am Herzen – aber leider zu oberflächlich. Sie rührt die Werbetrommel, macht Fotoshootings, geht in TV-Talkshows – aber sie überprüft nicht, ob die Büros ihrer Stiftung genug Ressourcen haben – und ob den Frauen, die Hilfe suchen, schnell geholfen wird. Stattdessen nannte sie mich eine Lügnerin. Das hat ihrer Glaubwürdigkeit geschadet, was ich bedaure, denn ihr Anliegen war nobel.

Ermittler befragten aktive und ehemalige Mitarbeiterinnen, kontrollierten Telefonverbindungen. Sie zeichnen ein unvorteilhaftes Bild der Stiftung. Im Urteil kommen die Richter zum Schluss: «Es ist schwer vorstellbar, dass die Stiftung Anfragen zeitnah beantworten kann, mit nur einer Vollzeit- und einer Teilzeitsekretärin, die für die Erledigung aller Sekretariatsaufgaben, die Beantwortung von Anrufen und E-Mails sowie die Bearbeitung und Vermittlung von Nutzern an Fachpersonal zuständig sind – angesichts von Tausenden von Hilfeersuchen.» Heute arbeiten für die Stiftung drei Personen im Sekretariat. 

Frauen, die bei Doppia Difesa ins Leere liefen, melden sich dagegen zuhauf bei Lucarelli. Die Aussagen liegen Blick vor.

Eine Betroffene schreibt, sie sei nach einer Kontaktaufnahme per Mail von einem Anwalt angerufen worden. «Er fragte mich, ob ich bereit wäre, ein Interview zu geben, das sie (Anm.: die Stiftung) verwenden könnten. Ich habe abgelehnt und seitdem hat es keinen Kontakt mehr gegeben.»

Eine andere schreibt: «Wir haben Hunderte Male versucht anzurufen, aber sie haben nie geantwortet.»

«Vor 4 Jahren habe ich versucht, sie (Anm.: die Stiftung) zu kontaktieren. Keine Antwort und dann eine von Hunzikers Mutter unterzeichnete E-Mail mit dem Inhalt: ‹Danke, dass Sie uns kontaktiert haben. Ich hoffe, dass sich ihre Probleme lösen.› Absurd!»

Die Stiftung Doppia Difesa liess über einen Anwalt ausrichten, der Richter verwende im Urteil eine präzise technische Formel, um Lucarellis Artikel zu rechtfertigen: «Vermeintliche Wahrheit.» In Italien rette die «vermeintliche Wahrheit» Journalisten oft vor Verleumdung. Richter hätten in vorhergehenden Prozessen eine Verleumdung festgestellt. Das aktuelle Dekret schliesse zudem aus, dass die Stiftungsgründerinnen aus Imagegründen gehandelt hätten. Die Stiftung werde gegen jene vorgehen, die nicht korrekt über das Urteil berichten. Doppia Difesa habe zudem zwei wichtige Gesetze initiiert und arbeite auch künftig weiter gegen Gewalt gegen Frauen.

Journalistin Selvaggia Lucarelli sagt gegenüber Blick, sie glaube, dass das Thema Gewalt gegen Frauen Michelle Hunziker berühre. Aber leider habe sie sich nicht dafür interessiert, «ob das Büro ihrer Stiftung genug Ressourcen hat – und ob den Frauen, die Hilfe suchen, schnell geholfen wird».

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?