Vom Vincenz-Freund zum Aufräumer
Kann Raiffeisen-Boss Gisel seinen Kopf aus der Schlinge ziehen?

Ein cleverer Schachzug von Patrik Gisel. Mit dem Verkauf der Privatbank Notenstein an Vontobel hat der Raiffeisen-CEO zwei Dinge erreicht: Die Ära Vincenz ist definitiv Geschichte, Gisels Position an der Spitze der Genossenschaftsbank gestärkt.
Publiziert: 24.05.2018 um 23:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:10 Uhr
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Gisel zeigte sich nie zufrieden mit Notenstein, schloss einen Verkauf aber immer aus – bis heute.
Foto: Keystone
Christian Kolbe

In der Causa Raiffeisen war ein Szenario bis jetzt durchaus wahrscheinlich: Ein neuer Verwaltungsratspräsident tritt an, um mit der Ära Vincenz endgültig aufzuräumen. Dazu gehörte: die Position von Raiffeisen-CEO Patrik Gisel (56) zumindest zu hinterfragen. Oder mehr noch: um die Glaubwürdigkeit der Genossenschaftsbank wiederherzustellen, auf die weitere Zusammenarbeit mit Gisel zu verzichten. Letzterer stand als Nummer zwei stramm hinter Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz (62).

Mit dem Verkauf von Notenstein entledigt sich Gisel nicht nur der grössten Bürde aus der Vincenz-Zeit, er emanzipiert sich auch vom Raiffeisen-Übervater. Kann Gisel seinen Kopf aus der Schlinge ziehen?

Martin Janssen, Bankenexperte und Ecofin Geschäftsführer.
Foto: Siggi Bucher

Martin Janssen (69) beurteilt den Deal positiv: «Das ist ein unglaublich guter Preis. Dieser Verkauf stärkt die Position von Gisel gegen innen wie aussen», sagt der Bankenexperte und Geschäftsführer der Ecofin-Gruppe. Ähnliche Stimmen sind aus dem Innern von Raiffeisen wie auch von Aktienanalysten zu hören. Letztere dürfen sich nicht zu Raiffeisen äussern, da die Genossenschaftsbank nicht an der Börse kotiert ist. Sie haben aber durchaus eine persönliche Meinung: Ein guter Entscheid stärke den Entscheider, heisst es etwa. 

Wachstumsexzesse korrigiert 

Hans Geiger, emeritierter Bankenprofessor Universität Zürich
Foto: Keystone

Der emeritierte Bankenprofessor Hans Geiger (75) dämpft die Euphorie. Immerhin habe sich Gisel etwas Luft verschafft: «Der Verkauf von Notenstein gibt ihm eine Verschnaufpause. Der grösste Druck ist im Moment weg.» Denn Gisel habe die Wachstumsexzesse der Ära Vincenz korrigiert und die Bank strategisch wieder dorthin zurückgeführt, wo sie vor dem Antritt von Vincenz war. 

Kommt dazu, dass sich Gisel nun nicht mehr mit der mässigen Performance von Notenstein herumschlagen muss. Der Verkauf verschafft ihm Zeit, sich noch besser auf die Führung der neuen «alten Raiffeisen» zu konzentrieren.

Etwas Schadenfreude kann sich einer nicht verkneifen: Ex-Wegelin Banker Konrad Hummler (65), der bisweilen wie ein Löwe um sein Lebenswerk kämpfte, schliesslich gegen die US-Steuerbehörden den Kürzeren zog und verkaufen musste. 

Konrad Hummler, ehemaliger geschäftsführender Teilhaber der Bank Wegelin
Foto: Samuel Trümpy

Sein Kommentar zum Verkauf von Notenstein an Vontobel: «Dieser Schritt war aufgrund der Sachlage wohl unausweichlich. Zeno Staub als oberster Chef ist ein Wegelin-Urgestein. Er ist intelligent und integer.» Viel Lob für die neuen Besitzer, leise Häme für die alten.

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