Jeder Fussball-Fan weiss: Wenn der Manager eines Fussballclubs nach ein paar verlorenen Spielen sagt, der Stuhl des Trainers wackle trotzdem nicht, bedeutet das Nullkommanichts. Der Coach kann seinen Job trotzdem schon am nächsten Tag los sein.
Ganz ähnlich Patrik Gisel (56). Mehrmals in den letzten Monaten betonte der CEO der Raiffeisen-Bank, man werde die Tochter-Privatbank Notenstein La Roche nicht verkaufen. Ein Beispiel: «Einen Verkauf schliesse ich aus. Dies, weil Raiffeisen und Notenstein immer stärker vernetzt sind», sagte er im Januar zur «Sonntagszeitung.»
Doch was kümmert den Top-Manager sein Geschwätz von gestern? Heute Morgen hat Raiffeisen mitgeteilt, dass sie die Notenstein an die Vontobel-Bank verkauft. Kaufpreis: 700 Millionen Franken.
Nie zum Fliegen gekommen
Die Notenstein verfügt derzeit über 13 Standorte in der Schweiz und betreut 16,5 Milliarden Franken Kundenvermögen.
Raiffeisen begründet den Schritt im Communiqué damit, dass man «aufgrund der erfreulichen Entwicklung des Anlagegeschäfts» das Geschäftssegment Anlagekunden neu ausrichten wolle. In Zukunft wolle man sich auf das Kundensegment der Privatkunden mit kleinen und mittelgrossen Vermögen konzentrieren.
Das ist eine nette Beschreibung dafür, dass die Notenstein die Erwartungen nie erfüllt hat: Die verwalteten Vermögen sind alleine im Jahr 2017 von 20,3 Milliarden Franken auf 16,8 Milliarden Franken zusammengeschmolzen.
Da sind die 700 Millionen Franken, welche Raiffeisen für die Notenstein erhält, ein anständiger Preis. Erst 2012 erst hatte man die damalige Wegelin übernommen, damals etwas über 500 Millionen bezahlt.
Gisel macht Vincenz' Einkaufstour rückgängig
Das sieht auf den ersten Blick wie ein Erfolgsgeschäft aus. Auf den zweiten wird aber klar: Gisel hat die Kehrtwende nach dem Abgang seiner Vorgängers Pierin Vincenz (62) endgültig vollzogen. Dieser hatte aus der Bauernbank, welche die Raiffeisen bei seiner Amtsübernahme 1999 war, nach UBS und CS das drittgrösste Institut im Land gezimmert.
Er hatte nicht nur die Wegelin gekauft, sondern auch Firmen wie die Beteiligungsbude Investnet, einen Anteil am Software-Unternehmen Avaloq oder an der Kreditkartenfirma Aduno. Weil bei diesen Übernahmen wohl etwas nicht ganz sauber lief, sitzt Vincenz seit knapp drei Monaten in U-Haft. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.
Wahrscheinlich wünscht sich nicht nur Vincenz, die Übernahme-Deals hätten so nie stattgefunden. Auch Gisel entledigt sich jetzt der Altlasten: Die Avaloq-Beteilung: weg. Das Investnet-Investment: abgestossen. Und jetzt ist er die Notenstein-Verpflichtung los. In anderen Worten: Gisel hackt Vincenz' Erbe kurz und klein.