Vom Grossauftrag zur Pleite des Subunternehmers. So läuft es auf den Schweizer Baustellen
Der Letzte ist der Dumme

In der Baubranche wird mit harten Bandagen gekämpft. Aufträge werden unter den Firmen weitergereicht. Ein Teil des Auftragsvolumens eingesackt. Leidtragende des Preisdrucks sind die untersten Subunternehmer.
Publiziert: 20.11.2019 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2019 um 15:49 Uhr
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Beim Bauprojekt Waldhaus Neuguet in Wallisellen ZH entstehen 100 Wohnungen und ein Hotel.
Foto: Philippe Rossier
Patrik Berger und Noël Brühlmann

Der Zeit- und Preisdruck auf Schweizer Baustellen ist enorm. Das zeigt das Beispiel der Chaosbaustelle in Wallisellen ZH, über die BLICK gestern berichtet hat. Entwickelt hat das Projekt die Halter AG. Gebaut werden das Hotel und die 100 Wohnungen vom Generalunternehmer Steiner AG. «Steiner hat das beste Preis-Leistungs-Angebot unterbreitet», begründet Halter-Sprecher Nik Grubenmann die Vergabe des Auftrags.

Steiner seinerseits hat die einzelnen Arbeiten an mehrere Subunternehmen vergeben. Schreiner Felix Räbsamen (29), der seit Monaten auf 359’000 Franken wartet, die ihm Steiner schuldet, ist einer von ihnen. BLICK zeigt an einem fiktiven Beispiel, wie solche Deals ablaufen, wer daran verdient – und wer beim Preiskampf auf der Strecke bleibt.

Jeder behält etwas für sich

Ein Eigentümer will eine Überbauung für 30 Millionen Franken verwirklichen. Er sucht sich einen Generalunternehmer. Dieser behält vier Millionen Franken der Gesamtsumme von 30 Millionen für sich. Mit den restlichen 26 Millionen sucht er für die verschiedenen Arbeiten Subunternehmer.

Ein Eisenleger sichert sich den Auftrag für 300’000 Franken. Den Auftrag vergibt er seinem Kollegen für 270’000 Franken. Er selbst behält 30’000 Franken für sich. Der Kollege ist aber grad ausgelastet. Nun kommt der dritte Subunternehmer für 250’000 Franken zum Zuge. Der Kollege behält 20’000 Franken im eigenen Sack. Der Dritte und letzte Subunternehmer engagiert billigere temporäre Arbeiter, kann deren Löhne aber nicht bezahlen und geht Konkurs.

«Bescheissen auf dem Bau lohnt sich»

«Die oben in der Pyramide profitieren am meisten. Doch bei jeder Vergabe an einen weiteren Subunternehmer kassiert jemand», bestätigt Lorenz Keller (39), Co-Geschäftsleiter Unia Zürich-Schaffhausen, dem BLICK. «Bescheissen auf dem Bau lohnt sich, das ist leider eine Tatsache.» Die Folge: Lohndumping, das vor allem auf den untersten Subunternehmerstufen verbreitet ist.

Die Arbeiter würden oft für Firmen arbeiten müssen, die nur gegründet wurden, um sie dann Konkurs gehen zu lassen, wenn der Inhaber den Zuschlag zum Auftrag erhalten habe. «Im ersten Monat werden sie vom Chef vertröstet, der Lohn komme dann schon noch. Doch oft sehen sie gar nichts», sagt er. Die Firma meldet Konkurs an. Die Arbeiter stehen auf der Strasse.

Der Gewerkschafter fordert, dass alle Subunternehmer gemeldet werden müssen. «Bauherren wissen oft nicht, wer auf ihrer Baustelle arbeitet. Das macht es im Nachhinein unmöglich, für korrekte Lohnzahlungen zu sorgen.» Seit zehn Jahren stellt Keller eine «komplette Verrohung ganzer Branchen» auf dem Bau fest.

«Personenfreizügigkeit hat das Problem verschärft»

Auch Peter Baeriswyl (60), Direktor des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verbandes SMGV ist das System mit Subunternehmen ein Dorn im Auge. Schon vor vier Jahren hat er im BLICK über den Wildwuchs in seiner Branche ausgepackt.

Der Jurist sagt: «Dumpinglöhne werden meist an Arbeitnehmer aus dem Ausland, etwa dem Osten, bezahlt.» Die Personenfreizügigkeit habe – trotz der vielen Vorteile – das Problem verschärft.

Und weiter: «Firmen, die bei diesem Lohndumping nicht mitmachen, haben im Markt einen grossen Wettbewerbsnachteil.» Sie seien teurer und würden weniger Aufträge bekommen.

Chaos-Baustelle Zwicky-Areal

Die Gross-Baustelle auf dem Zwicky-Areal in Wallisellen ZH ist seit Monaten Thema in den regionalen Medien. Von Baupfusch ist da zu lesen, von Problemen mit dem Brandschutz oder von Verspätungen, von Missmanagement und schlechter Planung. Dutzende Käufer mussten monatelang in Hotels hausen, weil ihre Wohnungen noch nicht bezugsbereit waren. Noch immer sind im Waldhaus Neuguet erst drei der vier Wohntürme bezogen worden. 100 Wohnungen sind im Bau, prominent gelegen. Gut an den öffentlichen Verkehr angebunden, in der Nähe des Glattzentrums und der Autobahn A1. 20 Minuten vom Flughafen Zürich entfernt. Alle Eigentumswohnungen sind längst verkauft. Zu Preisen zwischen 640'000 Franken und 1,85 Millionen. Die untersten vier Etagen belegt das Hotel Harry's Home mit 123 Zimmern und Appartements. Patrik Berger

Die Gross-Baustelle auf dem Zwicky-Areal in Wallisellen ZH ist seit Monaten Thema in den regionalen Medien. Von Baupfusch ist da zu lesen, von Problemen mit dem Brandschutz oder von Verspätungen, von Missmanagement und schlechter Planung. Dutzende Käufer mussten monatelang in Hotels hausen, weil ihre Wohnungen noch nicht bezugsbereit waren. Noch immer sind im Waldhaus Neuguet erst drei der vier Wohntürme bezogen worden. 100 Wohnungen sind im Bau, prominent gelegen. Gut an den öffentlichen Verkehr angebunden, in der Nähe des Glattzentrums und der Autobahn A1. 20 Minuten vom Flughafen Zürich entfernt. Alle Eigentumswohnungen sind längst verkauft. Zu Preisen zwischen 640'000 Franken und 1,85 Millionen. Die untersten vier Etagen belegt das Hotel Harry's Home mit 123 Zimmern und Appartements. Patrik Berger

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