Für all die Schweizer Kunden von Amazon.com war es ein kleiner Schock, als bekannt wurde, dass die Website keine Artikel mehr in die Schweiz liefert. Das gilt ab 26. Dezember und auch für alle anderen Amazon-Websites ausserhalb der EU. Einzig auf Portalen wie Amazon.de, -.it oder -.fr lässt sich noch aus dem riesigen Warenkorb von Amazon.com naschen. Die Auswahl auf den europäischen Portalen aber ist kleiner.
Der Grund für den US-Rückzieher: Bis anhin war der Internet-Gigant von der Erhebung der Mehrwertsteuer für Kleinsendungen bis zu einem Wert von 65 Franken von der Abgabe befreit. Das heisst, Sendungen, bei denen weniger als fünf Franken Mehrwertsteuer angefallen wären.
Neu gilt diese Ausnahme für Grosshändler mit einem Umsatz von über 100'000 Franken nicht mehr. Eine Summe, die Amazon.com global in ein paar Minuten erreichen dürfte.
Keiner versteht das Verhalten von Amazon.com
Ein paar Stunden später bleibt nach der Aufregung nur noch Kopfschütteln: «Das Verhalten von Amazon.com kommt mir vor wie das Gebaren einer Diva, sagt etwa Konsumentenschützerin Sara Stalder (51). «Amazon.com hat den Schweizer Markt nicht nötig.» Das bestätigen auch Zahlen: Rund 600 Millionen Franken Umsatz macht Amazon über seine Portale mit Schweizer Kunden. Gut zehn Prozent über Amazon.com.
Alle von BLICK befragten Experten sind sich einig: Der Verzicht von Amazon.com ist kein grosser Verlust für die Schweizer Konsumenten. Die Änderung bei der Mehrwertsteuer angestossen hat Patrick Kessler (50), Präsident und Geschäftsführer des Verbands Schweizer Versandhandel. Die Freude über seinen Erfolg hält sich in Grenzen. Ihm ging es vor allem um gleich lange Spiesse der Schweizer Versandhändler mit der ausländischen Konkurrenz. Klar ist für ihn: «Amazon.ch wird es nicht geben, aber über die europäischen Plattformen wird Amazon in der Schweiz noch mehr an Gewicht gewinnen», so Kessler. Fazit: Ein Rinnsal versiegt, der Strom von Waren des Internetgiganten in die Schweiz fliesst weiter.
Umweg über Deutschland wird teuer
Das sieht auch Jan Bomholt (44) von Meineinkauf.ch so. Seine Plattform bietet Lieferadressen in Deutschland an – um Waren aus Online-Shops zu bestellen, die nicht in die Schweiz liefern: «Für uns heisst das, dass wir wahrscheinlich ab 2019 mehr aus den USA sehen werden, das via Meineinkauf.ch in die Schweiz geliefert wird, da Lieferungen nach Deutschland ja weiter über Amazon.com möglich sind.» Der Wermutstropfen: auf diesem Weg können bis zu vier Mal höhere Zollgebühren anfallen als bei einer direkten Lieferung in die Schweiz.