Durchschnittlich neun Monate dauert die Jobsuche am Schweizer Arbeitsmarkt für Arbeitslose, die das 50. Altersjahr überschritten haben. Bei den 15- bis 20-Jährigen beträgt die Suche im Schnitt lediglich drei Monate. Wer im gesetzten Alter aus dem Arbeitsmarkt fällt, muss sich arg strecken, um einen neuen Job zu bekommen.
Hinzukommt, dass ältere Arbeitnehmer diskriminiert werden: «Gewisse Arbeitgeber in gewissen Branchen ziehen jüngere Stellenbewerber aus verschiedenen Gründen grundsätzlich vor.» So steht es in einer Bestandsaufnahme, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in Auftrag gegeben hat. Diese Problematik wird offenbar zusätzlich dadurch verschärft, dass die Unternehmen zunehmend automatisierte Rekrutierungsverfahren zur Vorselektion einsetzen. Diese durchleuchten Bewerberdossiers speziell auf das Alter der Bewerber hin.
«So haben ältere Stellensuchende oft keine Chance, überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden», kommt das Seco zum Schluss. Altersdiskriminierung sei besonders in der Informatik-, Telekom- und Bankenbranche verbreitet. Auch Pharma- und Lebensmittelindustrie würden laut Seco ältere Bewerber benachteiligen.
Bundesrat sieht Handlungsbedarf
Über die Diskriminierung ärgert sich auch Ursula Kraft, Verbandsdirektorin der Schweizerischen Arbeitsmarktbehörden: «Wir weisen in unseren Kontakten mit den Unternehmen regelmässig darauf hin, dass das Alter kein geeigneter Filter ist und dass so potenzielle kompetente und erfahrene Mitarbeitende ausgeschlossen werden.» Bei der Personalrekrutierung sei es wichtig, sowohl Ausbildung, Berufserfahrungen wie auch die sozialen Kompetenzen eines Bewerbers angemessen zu berücksichtigen.
Dass der Umgang mit älteren Arbeitslosen seit langem ein Problem ist, hat auch der Bundesrat erkannt. Ein Paket, angestossen von den Gewerkschaften, soll die Situation beruhigen. So sollen Regionale Arbeitsvermittlungen (RAV) mehr Geld erhalten, um ältere Stellensuchenden besser unterstützen zu können.
«Wir gehen davon aus, dass die finanziellen Mittel bis 2021 zu Verfügung stehen», sagt Daniel Lampart (47), Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds. Positiv sei zudem, dass der Bundesrat nun eine Überbrückungsrente für ausgesteuerte Arbeitslose ab 60 Jahren einführen wolle. Voraussichtlich nächsten Frühling wird das Parlament darüber beraten.
Das Loch nach den Babyboomern
Das Problem erkannt hat unterdessen auch der Arbeitgeberverband: «Die Schweiz braucht alle verfügbaren Hände, denn der Arbeitskräftemangel wird sich in den nächsten Jahren beschleunigen», sagt Präsident Valentin Vogt (58).
Grund: die Pensionierungswelle der Babyboomer rollt an. «Es werden in den nächsten Jahren weniger Junge in den Arbeitsmarkt nachrücken», so Vogt. Diese Lücke könne, ohne eine Ausweitung der Zuwanderung, nur geschlossen werden, wenn das inländische Arbeitspotenzial besser ausgeschöpft werde. «Zu diesem Potenzial gehören neben den Frauen auch ältere Arbeitnehmer.»