Paradeplatz wird zum Paradeplätzli
21'000 Grossbanken-Jobs weniger als zu besten Zeiten

Die Statistik zeigt einen herben Bedeutungsverlust von Credit Suisse und UBS. Doch die Bankiervereinigung will davon nichts wissen.
Publiziert: 01.08.2020 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 17.09.2020 um 18:31 Uhr
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Gewinn der Migros Bank 2019: 255 Mio. Franken
Foto: Keystone
Thomas Schlittler

Die Credit Suisse (CS) kündigte diese Woche umfassende Sparmassnahmen an: Ab 2022 will die Grossbank pro Jahr rund 400 Millionen Franken weniger ausgeben. «Von insgesamt 120 CS-Filialen in der Schweiz werden 20 gestrichen», sagte Konzernchef Thomas Gottstein (56) bei der ­Präsentation der Halbjahreszahlen.

«Es werden Stellen wegfallen.»

Von grossen Stellenstreichungen will Gottstein aber nicht sprechen. Unterm Strich werde nur sehr ­begrenzt reduziert. Viele in der Branche trauen diesen Beteuerungen aber nicht so recht. Sogar die wirtschaftsgläubige «NZZ» ist überzeugt: «Es werden Stellen wegfallen.»

Hintergrund der Skepsis: Seit der Finanzkrise bauten die Grossbanken in der Schweiz Jahr für Jahr Stellen ab. 2007 boten CS und UBS hierzulande noch 43'672 Vollzeitstellen, Ende 2019 waren es gemäss Zahlen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) nur noch 22'784 – ein Rückgang von beinahe 50 Prozent.

Wie kommt das? Wird der Paradeplatz zum Paradeplätzli?

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) will von einem ­Bedeutungsverlust nichts wissen: «Der Bankensektor ist und bleibt eine zentrale Stütze der Volkswirtschaft», sagt Kommunika­tionschefin Michaela Reimann. So sei 2018 jeder elfte Schweizer Wertschöpfungsfranken dem Finanzsektor zu verdanken gewesen. Und auch in der Corona-Krise habe sich die Branche als stabil und solide erwiesen.

Strukturwandel bei den Banken

Den Stellenabbau bei den Grossbanken sieht Reimann differenziert. Zwar sei es tatsächlich so, dass die Banken einen enormen Strukturwandel durchlaufen hätten und technologische Neuerungen eine verstärkte Automatisierung von ehemals manuell erledigten Arbeiten erlaubten. Die Zahlen der SNB zeigten aber ein verzerrtes Bild: «Der Stellenrückgang hat seine Ursache vor allem darin, dass die Grossbanken in den letzten Jahren Personal in konzerninterne Dienstleistungsgesellschaften ohne Banklizenz verlagert haben.» Weil solche Dienstleistungsgesellschaften aber keine Bank­lizenz besässen, werde dieses Personal nicht mehr dem Bankensektor zugerechnet.


Wie viele Stellen tatsächlich ­abgebaut wurden weiss niemand

Die SNB bestätigt diesen Effekt. Wie viele der rund 21'000 Stellen nur aus der Statistik verschwunden sind – und wie viele tatsächlich ­abgebaut wurden, weiss aber weder die SNB noch die Bankierver­einigung.

Carmen Walker Späh (62), Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Zürich, beobachtet eine Verschiebung innerhalb des Finanzsektors: Rückgang bei den Banken, aber gleichzeitige Zunahme bei Versicherungen und insbesondere bei sonstigen Finanzdienstleistern wie etwa Effekten- und Warenbörsen oder Investmentberatungsfirmen.

Im gesamten Finanzsektor sei die Beschäftigung seit 2012 aber stabil geblieben, sie liege heute sogar rund fünf Prozent über dem Niveau von 2007. Walker Späh: «Die Ver­sicherungen haben den Rückgang bei den Banken also mehr als kompensiert.» Zudem betont die FDP-Frau, dass der Finanzplatz für den Kanton Zürich nach wie vor eine zentrale Bedeutung habe.

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