Gestandene Fachleute in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, im Detailhandel und KV-Bereich gehören seit längerem zu den besonders stark von Entlassung betroffenen Berufsgruppen.«Aber auch Top-Manager, Ingenieure, Baufachleute und Akademiker sowie Informatiker bei den Grossbanken sind in den letzten Jahren massenweise Opfer der Digitalisierung und Globalisierung geworden», sagt Bildungsexpertin Rebekka Masson (59).
Die Betroffenen brächten zwar viel Praxis-Know-how, Lebenserfahrung und auch Führungsqualitäten mit. Aber es fehlen ihnen die neusten Skills und die aktuellen eidgenössisch anerkannten Diplome, die diese Kompetenzen belegen. Genau diese Diplome setzen Firmen, die Fachkräfte suchen, jedoch voraus.
«F» wie «flexibel»
Genau hier setzt das Weiterbildungslabel Modell F an, welches Rebekka Masson als Direktorin der gleichnamigen Non-Profit-Organisation leitet. Modell F – das F steht für «flexibel» – ist ein Label für Bildungsinstitutionen. Mit diesem verpflichten sie sich, ihre Bildungs- und Studiengänge auch für erfahrene Berufsleute zu öffnen. Und entsprechend flexibel auf deren Lebensumstände einzugehen.
Da Erwerbstätige im mittleren Alter im Unterschied zu 20-jährigen Studenten oft mit familiären und finanziellen Verpflichtungen mitten im Leben stehen, geben die Bildungseinrichtungen eine Garantie ab, das Programm jederzeit problemlos unterbrechen und später abschliessen zu können, falls dies die Lebensumstände erfordern.
Inzwischen sind in der Deutschschweiz acht Weiterbildungsinstitutionen mit dem Label Modell F zertifiziert. Alle bieten eidgenössisch anerkannte Abschlüsse und Diplome an für die Fachgebiete Technik, Informatik, Bau, Detailhandel und KV.
Weiterbildung geht auch schneller und günstiger
Der Clou: Mit dem vom Seco unterstützten Anerkennungsverfahren Informa rechnen Bildungsinstitutionen mit dem Modell-F-Label bei der Zulassung zu ihren Studiengängen auch die berufliche Praxis an. Auch ausserberufliche Praxiserfahrung wie ausgewiesener Einsatz in Lokalpolitik, Schulpflege, Vereinsleben und Armee wird angemessen angerechnet.
«Das verkürzt und vergünstigt die Bildungs- und Studiengänge der Teilnehmer, indem sie nur diejenigen Module besuchen und bezahlen müssen, die sie auch wirklich brauchen», erklärt Rebekka Masson und ergänzt: «Das ist auch im Interesse von Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nicht unnötig lang in unnötig teure Weiterbildungen schicken wollen.»
Das Anerkennungsverfahren Informa können alle interessierten Personen durchlaufen. In gewissen Kantonen auch Fachleute, die in Kurzarbeit oder arbeitslos und beim RAV angemeldet sind. Dies gilt für die Kantone Aargau, Bern, Zürich – und neuerdings auch für den Thurgau.
Fatimeh Jalali* (40) ist aus dem Iran in die Schweiz geflüchtet. «Ich hatte fünf Jahre als Ingenieurin für ein iranisches Telecom-Unternehmen gearbeitet, konnte damals aber kein Wort Deutsch», erzählt die alleinerziehende Mutter in fliessendem Hochdeutsch. Ihr iranischer Studienabschluss als Elektrotechnik-Ingenieurin wird in der Schweiz nicht anerkannt. Damit bleibt ihr der Zugang zu einer Festanstellung verwehrt. Stattdessen arbeitet sie in verschiedenen Temporärjobs für IT-Projekte und wird arbeitslos. Ihr RAV-Berater im Kanton Zürich ermöglicht ihr die Teilnahme am Anerkennungsverfahren Informa. Sie erarbeitet ein dickes Dossier, lässt ihre Zeugnisse übersetzen und Experten prüfen ihren akademischen und beruflichen Leistungsausweis. Nach sechs Wochen steht fest: Fatimeh Jalali kann die Weiterbildung zur IT Service Ingenieurin HF an der Technischen Berufsschule Zürich starten. Die 40-jährige drückt als einzige Frau unter lauter jungen Männern die
Schulbank und muss dank ihres Studiums und ihrer Berufspraxis viele Grundlagenfächer nicht mehr belegen. So kann sie in kürzester Zeit und für weniger Geld das Studium mit dem eidg. anerkannten Diplom abschliessen und sich anschliessend einen anspruchsvollen Job suchen. (buo)
*Name geändert
Fatimeh Jalali* (40) ist aus dem Iran in die Schweiz geflüchtet. «Ich hatte fünf Jahre als Ingenieurin für ein iranisches Telecom-Unternehmen gearbeitet, konnte damals aber kein Wort Deutsch», erzählt die alleinerziehende Mutter in fliessendem Hochdeutsch. Ihr iranischer Studienabschluss als Elektrotechnik-Ingenieurin wird in der Schweiz nicht anerkannt. Damit bleibt ihr der Zugang zu einer Festanstellung verwehrt. Stattdessen arbeitet sie in verschiedenen Temporärjobs für IT-Projekte und wird arbeitslos. Ihr RAV-Berater im Kanton Zürich ermöglicht ihr die Teilnahme am Anerkennungsverfahren Informa. Sie erarbeitet ein dickes Dossier, lässt ihre Zeugnisse übersetzen und Experten prüfen ihren akademischen und beruflichen Leistungsausweis. Nach sechs Wochen steht fest: Fatimeh Jalali kann die Weiterbildung zur IT Service Ingenieurin HF an der Technischen Berufsschule Zürich starten. Die 40-jährige drückt als einzige Frau unter lauter jungen Männern die
Schulbank und muss dank ihres Studiums und ihrer Berufspraxis viele Grundlagenfächer nicht mehr belegen. So kann sie in kürzester Zeit und für weniger Geld das Studium mit dem eidg. anerkannten Diplom abschliessen und sich anschliessend einen anspruchsvollen Job suchen. (buo)
*Name geändert
André Wetter (51) ist ein klassischer Fall für Weiterbildung nach Modell F – grosse Erfahrung, aber keine Diplome. «Ein Diplom, das ist die Währung, mit der sie auf dem Arbeitsmarkt bezahlen und punkten», sagt der IT-Spezialist. Als Autodidakt hat er sich alles selbst beigebracht, was er im Bereich Informatik und Grafikdesign kann und weiss. Wetter verfügt auch über unternehmerische Erfahrung, hat im selbst programmierten Onlineshop Spielzeug verkauft. Als er sich 2017 entschloss, den Onlineshop zu liquidieren, hatte er keine Mühe eine Stelle zu finden. Aber eine grosse Sorge: «Was passiert bei der nächsten Reorganisation, stehe ich dann plötzlich auf der Strasse und das ohne Diplome?» Also entschloss sich Wetter zur Weiterbildung. Ein Berufsberater machte den Familienvater auf die massgeschneiderte Lösung nach Modell F aufmerksam. Dank der Anerkennung seiner beruflichen Erfahrung konnte Wetter direkt im 3. Semester einsteigen. Sein Arbeitgeber unterstützt auf dem Weg zum diplomierten Techniker HF im Bereich Informatik grosszügig: «Bereichernd ist auch die Zusammenarbeit mit meinen viel jüngeren Mitstudenten. Von ihnen kann ich ebenfalls viel lernen», so Wetter. Christian Kolbe
André Wetter (51) ist ein klassischer Fall für Weiterbildung nach Modell F – grosse Erfahrung, aber keine Diplome. «Ein Diplom, das ist die Währung, mit der sie auf dem Arbeitsmarkt bezahlen und punkten», sagt der IT-Spezialist. Als Autodidakt hat er sich alles selbst beigebracht, was er im Bereich Informatik und Grafikdesign kann und weiss. Wetter verfügt auch über unternehmerische Erfahrung, hat im selbst programmierten Onlineshop Spielzeug verkauft. Als er sich 2017 entschloss, den Onlineshop zu liquidieren, hatte er keine Mühe eine Stelle zu finden. Aber eine grosse Sorge: «Was passiert bei der nächsten Reorganisation, stehe ich dann plötzlich auf der Strasse und das ohne Diplome?» Also entschloss sich Wetter zur Weiterbildung. Ein Berufsberater machte den Familienvater auf die massgeschneiderte Lösung nach Modell F aufmerksam. Dank der Anerkennung seiner beruflichen Erfahrung konnte Wetter direkt im 3. Semester einsteigen. Sein Arbeitgeber unterstützt auf dem Weg zum diplomierten Techniker HF im Bereich Informatik grosszügig: «Bereichernd ist auch die Zusammenarbeit mit meinen viel jüngeren Mitstudenten. Von ihnen kann ich ebenfalls viel lernen», so Wetter. Christian Kolbe