Grosses Unbehagen beim Shopping
Virus-Angst hemmt Einkaufslust der Kunden

Die Läden sind wieder offen, aber die Kunden halten sich zurück. Noch. Das hat Folgen für die ganze Schweiz. Die öffentliche Hand blutet.
Publiziert: 17.05.2020 um 10:33 Uhr
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Die Warnhinweise des BAG: Die Kampagne hat gewirkt, Normalität stellt sich nur langsam wieder ein.
Foto: keystone-sda.ch
Marc Iseli

Wochenlang ging gar nichts – und jetzt halten sich die Konsumenten auch noch zurück. Das Coronavirus hat die Einkaufslust gehemmt, bekommt BLICK vielerorts zu hören. Die ersten Tage nach dem Lockdown waren zwar ordentlich. «Montag, Dienstag und Mittwoch lag die Zahl der Kunden in den Läden in etwa auf dem Niveau des letzten Jahres», sagt Severin Pflüger (42) vom Verband der Schweizer Filialisten.

Die Kunden liessen tendenziell auch mehr Geld im Laden, die Grundstimmung sei gut. «Aber bereits am Donnerstag und Freitag sank die Frequenz.» Der Konsumwahn nach der Fastenzeit bleibt aus.

Kaum Nachholbedarf vorhanden

Der Lockdown hinterlässt ein gewisses Unbehagen in der Bevölkerung. Die Menschen zögern. Das spüren alle Detailhändler und Dienstleister im Land. Selbst die SBB. Nur die Linien in den Agglomerationen füllen sich langsam. Die Fernverkehrszüge bleiben verwaist. «Alles in allem ein gelungener Start», fasst SBB-Chef Vincent Ducrot (57) zusammen. An Pfingsten und an Auffahrt kommen allerdings keine Extrawagen zum Einsatz. In den letzten Jahren waren jeweils über 50 Sonderzüge unterwegs.

Die Normalität, so viel ist klar nach fünf Tagen Lockerung, stellt sich nur langsam wieder ein. Die Kunden warten mit einem Besuch im Fitnesscenter. Der Run auf die Einkaufscenter findet nicht statt. Noch nicht? Ein Lichtblick immerhin: «In gewissen Segmenten zeigt sich Nachholbedarf», wie Dagmar Jenni (52) vom Verband der Schweizer Detaillisten sagt. Dazu zählen: Wohnaccessoires, Beauty, Kinder, Sport. «Hier wurde sogar über Budget und Vorjahr gearbeitet.»

Minus 25 Milliarden Franken

Die Aussage deckt sich mit den Erfahrungen, welche Globus in den ersten Tagen nach dem Lockdown gemacht hat. Und auch Roger Märki (60), Chef von Möbel Märki, bestätigt: «Wir haben auf Anhieb viele Grossmöbel, also Esszimmer, Polstergarnituren, Wohnregale, Betten und Schränke, verkauft. Teilweise direkt aus der Ausstellung, weils gar nicht schnell genug gehen konnte.»

Kleinteiliger, aber in die gleiche Richtung geht die Aussage von Coop-Tochter Interdiscount: «Vor allem bei Drucker, Toner, Tinten und Druckerpapier war die Nachfrage gross», so eine Sprecherin. Aber auch einzelne Produkte wie die kabellosen Apple-Kopfhörer seien gefragt gewesen. Das Homeoffice lässt grüssen. Bei Orell Füssli kauften die Kunden in den ersten Tagen vermehrt Kinder- und Jugendbücher sowie Belletristik.

Unterm Strich aber bleibt ein flaues Gefühl. Am schlimmsten ist die Situation laut Aussagen der Detaillisten in der Westschweiz und im Tessin. Dort glänzen die Konsumenten mit Zurückhaltung statt Kauflaune – noch stärker als in der Deutschschweiz.

Die Angst vor dem Virus ist weitverbreitet. Und sie ist mitunter dafür verantwortlich, dass das Bruttoinlandprodukt in diesem Jahr massiv zurückgehen wird. Die Experten der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich rechnen mit einem Minus von 5,5 Prozent. Die Arbeitslosigkeit wird demnach auf über 4 Prozent steigen. Gleichzeitig blutet die öffentliche Hand. Die Steuereinnahmen dürften um mehr als 25 Milliarden Franken sinken.

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