Verspätungen sind für Reisende eines der grössten Ärgernisse im ÖV. Kein Wunder, will der neue SBB-CEO Vincent Ducrot (57) bei der Pünktlichkeit den Hebel ansetzen. Doch das dauert. «Wir werden rund zwei Jahre brauchen, bis wir bei der Pünktlichkeit wieder auf einem guten Niveau sind», sagt er in Interview mit dem «SonntagsBlick».
Nun wird klar, wie Ducrot bereits kurzfristig Verbesserungen erreichen will. Er ändert die Art und Weise, wie Verspätungen ausgewiesen werden, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Schon stehen die SBB in Sachen Verspätungen besser da.
Belegung des Zuges entscheidend
Bisher wurde die Pünktlichkeit mit der Belegung der Züge verrechnet. Ein bis auf den letzten Platz gefüllter Zug, der von Bern aus Zürich erreicht, hatte einen grösseren Einfluss auf die Pünktlichkeit als ein verspäteter Regionalzug, der nur zu einem Viertel belegt ist.
Das Credo des früheren SBB-Chefs Andreas Meyer (59): «Da wir möglichst viele Kundinnen und Kunden pünktlich ans Ziel bringen wollen, steht für die SBB die Kundenpünktlichkeit im Zentrum.»
Auf einen Schlag pünktlicher
Ducrot stellt nun das System zur Bemessung der Verspätungen um. Für ihn ist die Pünktlichkeit der Züge relevant, egal ob sie voll besetzt oder halbleer sind. Heisst: Jeder Zug zählt gleich viel. Dies sei verständlicher und deshalb transparenter sowie einfacher zu vermitteln, sagt ein SBB-Sprecher zum «Tages-Anzeiger».
Die Umstellung hat einen positiven Effekt. Die Züge der SBB werden in der Statistik auf einen Schlag pünktlicher, ohne dass auch nur ein Zug weniger Verspätung hat. Der Grund: Die Zugspünktlichkeit ist bei der Bahn traditionell höher als die Kundenpünktlichkeit.
Das sagen die SBB
Von Kosmetik will man bei der Bahn aber nichts wissen. SBB-Sprecher Raffael Hirt bestätigte den Paradigmenwechsel, über den die Tamedia-Zeitungen berichteten, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Es gebe mehrere Gründe für die Änderung, «die dadurch entstehenden besseren Werte sind keiner davon», schrieb er in einer Stellungnahme.
Die Fahrgäste würden nicht getäuscht, denn für sie sei es relevant, ob ihr Zug fahre oder nicht, und nicht, wie viele Kunden gleichzeitig im Zug seien, so Hirt. Bisher hatten die SBB das Ziel, möglichst viele Kunden pünktlich ans Ziel zu bringen. Eingeführt wurde diese sogenannte Kundenpünktlichkeit 2009 unter dem früheren SBB-Konzernchef Andreas Meyer.
Neue Messung sei genauer
Die Umstellung auf diesen neuen Parameter hat laut SBB-Sprecher Hirt verschiedene Vorteile. Zum einen sei die neue Messung verständlicher und deshalb transparenter und einfacher zu vermitteln, denn sie zeige das an, was für den Kunden relevant sei: Wie pünktlich ein Zug unterwegs sei, unabhängig davon, wie viele Reisende mitfahren.
Mit dem neuen Berechnungsmodell werde zudem stärker gewichtet, wenn Bahnreisende Anschlüsse verpassten, was die Reise bis zu 60 Minuten verlängern könne und sehr umständlich sei. Überdies sei die neue Messung genauer. Sie erlaube es den SBB, Analysen zu einzelnen Strecken, Streckenabschnitten und Bahnhöfen zu machen.
Schliesslich seien die so ausgewiesenen Zahlen auch besser vergleichbar mit den anderen Schweizer Bahnen und damit auch mit den Werten der Webseite www.puenktlichkeit.ch. Die beliebte Open-Data-Webseite wird von einem privaten IT-Fachmann betrieben. (pbe)