Ein Artikel. Ein Preis. Ganz normal, oder? Denkste. Was man aus dem herkömmlichen Supermarkt kennt, gilt längst nicht mehr für das Online-Shopping. Ein Artikel hat dort Hunderte Preise. Mehrmals täglich schwanken sie, nicht selten drastisch.
Der Fall von Werner G.* (37), der auf Digitec Galaxus einen Hochstuhl für sein Kind bestellen wollte, zeigt auf: Online-Preise können sich nicht einfach nur mehrere Male am Tag ändern. Sondern sie können auch schwanken, nachdem man einen Gegenstand in den virtuellen Warenkorb geklickt hat. Aber nicht nur Kunden von Digitec Galaxus müssen mit einem Preis-Schock rechnen. Der Dorn sitzt tiefer. Ein kurzfristiger Preisanstieg droht allen Benützern von grossen Online-Händlern – fast durchs Band.
Amazon und Zalando machen es vor
Amazon und Zalando sind die unbestrittenen Schwergewichte im internationalen Online-Handel. Sie machen es vor. An ihnen orientiert sich die Konkurrenz. Aus verschiedenen Medienberichten geht hervor: Bei Amazon schwanken die Preise gewaltig. So kann sich ein Preis in der Weihnachtszeit bis zu 70 Mal am Tag verändern. Und das um bis zu 50 Prozent – nach oben oder unten.
Allerdings nicht, wenn der Artikel im Warenkorb abgelegt wurde, sagt eine Sprecherin: «Der Preis bleibt dann über eine gewisse Zeit stabil, bis die Kunden den Kauf tätigen.» Macht das auch Zalando so? Auf die Anfrage von BLICK will sich der Online-Gigant nicht äussern. Fest steht nur: Die Preise im Internet-Shop schwanken. Aber ob das auch im Warenkorb noch sein kann, bleibt unbeantwortet.
Schweizer Online-Händler ziehen mit
Kaum anders tönt es derweil beim Anbieter Technomania. «Der Preis kann sich bei uns mehrfach täglich ändern», sagt etwa Sprecher Guido Sprinkart. Weiter räumt er ein: «Auch im Warenkorb sind noch Preisschwankungen möglich.» Monatlich gebe es aber nur etwa zwei Fälle, bei denen Kunden deswegen reklamieren. «Denn die Preise verändern sich höchstens um 20 Prozent», so Sprinkart.
Gleiches gilt auch für den Online-Händler Microspot. Was beide Unternehmen vereint: Die Preise sind nicht dynamisch. Heisst: Nicht persönliche Faktoren wie Anzahl Klicks, Geschlecht oder Tageszeit sorgen für die Preissetzung. Sondern lediglich die Marktsituation, beteuern beide.
Auch ein Brack-Sprecher gibt zu, dass sich die Preise tatsächlich von Zeit zu Zeit ändern können. Aber er hält fest: «Wir machen kein «Dynamic Pricing». Und dass sie schwanken, nachdem der Artikel in den Warenkorb gelegt wurde, kann bei uns schon gar nicht vorkommen.»
Prinzip von Angebot und Nachfrage
Thomas Lang (51), ausgewiesener Experte für E-Commerce, sagt: «Die Preise lassen sich online einfacher und leichter ändern als im stationären Geschäft.» Online könne besser auf veränderte Rahmenbedingungen eingegangen werden. Etwa auf eine höhere Nachfrage, kurzfristige Begünstigungen von Herstellern oder auch einfach nur äussere Wettereinflüsse.
Im Grund läuft das Online-Pricing also genau gleich ab wie im Supermarkt. Einfach viel schneller. Für Lang ist klar: «Die Internet-Preise sind ein realistischeres Abbild von Angebot und Nachfrage – den Grundelementen der Preisbildung.»
«Vertrauen in Online-Handel nicht in Gefahr»
Trotzdem hat er Verständnis, dass sich Kunden über kurzfristige Preisanstiege nerven. Vor allem, wenn sich der Artikel schon im Warenkorb befindet. Er sagt: «Ich finde, das darf nicht passieren.» Der Kunde dürfe seiner Meinung nach durchaus die Erwartungshaltung haben, dass sich der Preis nicht mehr verändert, nachdem er in den Warenkorb gelegt wurde. «Denn wegen dem Preis hat der Kunde den Artikel ja vielleicht in den Warenkorb gepackt», so Lang.
Weiter schlägt er vor, wie man dem Problem entgegnen könnte: mit einem Timer. «Der Preis müsste dann über eine Mindestdauer stabil bleiben», erklärt der Experte. Die Uhr zeige dem Kunden an, wie lange er den Artikel noch zum besagten Preis kaufen könnte. So, wie dies bereits bei einigen Ticketbuchungen der Fall ist.
Das Vertrauen in den Online-Handel sieht Lang nicht in Gefahr. Er ist sich sicher: «Wenn überhaupt, handelt es sich um Einzelfälle.» Die Zahlen stützen seine Aussage. Der Online-Handel legt kräftig zu. Und der stationäre Verkauf stagniert.
Schwankende Preise, je nach Uhrzeit, Kunde oder Nachfrage. Was im Online-Elektronikhandel gang und gäbe ist, wird auch in anderen Branchen angewandt. BLICK präsentiert die Übersicht.
Flüge: Die Airlines gehörten zu den ersten Unternehmen, die dynamische Preise eingeführt haben. Flüge zu Spitzenzeiten und in beliebte Destinationen sind teurer – Buchungen zu einem frühen Zeitpunkt billiger.
Skigebiete: Bei schönem Wetter wird das Ticket teurer, bei Nebel oder Schneefall einiges billiger. So funktionieren dynamische Preise in der Ski-Branche. Ab der kommenden Wintersaison werden so die Bergbahnen der Destination Gstaad ihre Preise anpassen. Schon länger machen dies die Skigebiete Pizol und Belalp. 28 statt 56 Franken kostete in Belalp die Tageskarte in vergangenen Wintern.
Uber: Das amerikanische Taxi-Unternehmen greift schon länger auf äussert schwankende Preise zurück. Wenn in einem Moment viele Personen gleichzeitig einen Fahrdienst bestellen, wird es teurer. Immerhin: Der Kunde sieht jederzeit transparent, wie viel Prozent er draufzahlen muss. Wenn umgekehrt viele Fahrer ohne Auftrag sind, sinkt der Preis. Noël Brühlmann
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