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Deutsche Rechte rufen auf zu Toblerone-Boykott
Halali auf Halal-Schoggi

Der Artikel im SonntagsBlick über die Halal-Zertifizierung von Toblerone hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Bei der ganzen Aufregung geht vergessen: Viele Produkte, die den religösen Vorschriften des Islams entsprechen, sind für Schweizer Firmen Alltag.
Publiziert: 21.12.2018 um 00:35 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2019 um 21:14 Uhr
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Wenn alles den islamischen Regeln entspricht: Halal-Zertifikat.
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Christian Kolbe

Nachdem der SonntagsBlick darüber berichtet hatte, dass der Schweizer Schokolade-Klassikers Toblerone nun halal-zertifiziert sei, also auch von Muslimen bedenkenlos gegessen werden kann, raste ein Shitstorm durch die Internet-Plattformen. Befeuert von der Rechtsaussen-Partei Alternative für Deutschland (AfD) und ihrem Chef Jörg Meuthen (57) gingen vor allem in Deutschland die Wogen hoch, beschworen einige schon den Untergang des Abendlandes und riefen zum Boykott des Schweizer Exportschlagers Toblerone auf. Selbst Henryk M. Broder (72), Kolumnist der «Weltwoche», streicht die Toblerone von seiner Favoritenliste. 

Grosses Medienecho

«Diese Geschichte geht um die ganze Welt», sagt Mounir Khouzami (36) von Swiss Arab Network. Die Organisation setzt sich für soziale und wirtschaftliche Kontakte zwischen der Schweiz und arabischen Ländern ein. «Sogar CNN International hat sich bei mir gemeldet. Diese weltweiten Reaktionen haben mich schon etwas überrascht.»

Dabei war die Toblerone schon vorher sozusagen halal – einfach ohne Zertifikat. Das hat sich nun geändert, jetzt ist der Schokoladenriegel offiziell halal, sozusagen mit amtlichem Gütesiegel. Weder an der Rezeptur noch am Herstellungsprozess musste irgendetwas geändert werden. «Halal» bedeutet «rein» oder «erlaubt» und steht für alle Dinge oder Handlungen, die aus islamischer Sicher gestattet sind (siehe Textkasten).

Das bedeutet «halal»

«Halal» heisst auf Arabisch «rein» oder «erlaubt». Was halal ist, entspricht dem Recht des Korans. Dabei geht es um mehr als nur um den Verzicht auf Schweinefleisch oder Alkohol, rituell korrekt geschlachtetes Fleisch oder das Verbot von Eiern aus Legebatterien. Halal ist eine Lebensphilosopie, die viele Alltagsdinge regelt. Auch ethische Fragen spielen dabei eine Rolle, etwa das Verbot («haram») von Kinderarbeit. Halal-Standards gelten nicht allein für Lebensmittel, sondern auch in der Medizin-, Pharma-, Kosmetik-, Mode- oder Bankenbranche. Selbst Hotels müssen für Gläubige Muslime halal sein. Bei vielen dieser religiösen Regeln geht es auch um Hygiene und Sauberkeit. Das Alkoholverbot ist weitreichend: Maschinen, die Halal-Lebensmittel produzieren, dürfen nicht mit alkoholhaltigen Reinigungsmitteln geputzt werden.  

«Halal» heisst auf Arabisch «rein» oder «erlaubt». Was halal ist, entspricht dem Recht des Korans. Dabei geht es um mehr als nur um den Verzicht auf Schweinefleisch oder Alkohol, rituell korrekt geschlachtetes Fleisch oder das Verbot von Eiern aus Legebatterien. Halal ist eine Lebensphilosopie, die viele Alltagsdinge regelt. Auch ethische Fragen spielen dabei eine Rolle, etwa das Verbot («haram») von Kinderarbeit. Halal-Standards gelten nicht allein für Lebensmittel, sondern auch in der Medizin-, Pharma-, Kosmetik-, Mode- oder Bankenbranche. Selbst Hotels müssen für Gläubige Muslime halal sein. Bei vielen dieser religiösen Regeln geht es auch um Hygiene und Sauberkeit. Das Alkoholverbot ist weitreichend: Maschinen, die Halal-Lebensmittel produzieren, dürfen nicht mit alkoholhaltigen Reinigungsmitteln geputzt werden.  

Riesiger Absatzmarkt 

«In Europa oder den USA gibt es jede Menge Regulierungen. In der islamischen Welt auch, unter anderem Halal-Vorschriften», gibt Khouzami zu bedenken. Andere Firmen wie Lindt & Sprüngli, Produzentin der Lindor-Kugeln, verzichten auf die Halal-Zertifizierung. 

Am selben Tag wie der Artikel im SonntagsBlick erschien, unterzeichnete die Schweiz ein Freihandelsabkommen mit Indonesien. Dort leben über 190 Millionen Muslime, so viele wie in keinem anderen Land der Welt. Auf mehrere Tausend Milliarden Franken schätzen Experten das Volumen des Markts für Halal-Produkte. Darauf kann die Exportnation Schweiz nicht verzichten.

Deshalb setzen sich viele Schweizer Firmen mit der Frage auseinander, ob ihre Produkte den religiösen Vorschriften des Islams entsprechen.

Auch Nestlé, Emmi und Novartis 

Nestlé betreibt über 100 Produktionsstandorte, die mit dem Halal-Zertifikat ausgestattet sind. Oder die Milchverarbeiterin Emmi, die rund 100 Halal-Produkte im Sortiment hat: «Exportartikel wie Joghurt, Desserts und einige wenige Käsesorten», wie Emmi schreibt – bestimmt für den Export in den Nahen und Fernen Osten.

Das bedeutet «koscher»

Auch der jüdische Glauben kennt Speisevorschriften. Was ein gläubiger Jude essen darf, ist «koscher», was so viel bedeutet wie: «Es ist okay.» Diese Vorschriften sind in der Thora, den fünf Büchern Mosis, geregelt und schreiben Juden nicht nur vor, was sie essen dürfen, sondern auch, wie die Speisen zubereitet werden müssen. Von Säugetieren ist das Fleisch erlaubt, wenn sie gespaltene Hufe haben und Wiederkäuer sind, also von Rind, Schaf und Ziege. Schweinefleisch ist verboten. Damit das Fleisch der erlaubten Tiere koscher ist, müssen die Tiere rituell geschlachtet, das heisst geschächtet werden. Zudem kennt die koschere Küche eine strikte Trennung von Milch und Fleisch. Spaghetti Bolognese mit Parmesan zum Beispiel sind in der jüdischen Küche nicht erlaubt. 

Auch der jüdische Glauben kennt Speisevorschriften. Was ein gläubiger Jude essen darf, ist «koscher», was so viel bedeutet wie: «Es ist okay.» Diese Vorschriften sind in der Thora, den fünf Büchern Mosis, geregelt und schreiben Juden nicht nur vor, was sie essen dürfen, sondern auch, wie die Speisen zubereitet werden müssen. Von Säugetieren ist das Fleisch erlaubt, wenn sie gespaltene Hufe haben und Wiederkäuer sind, also von Rind, Schaf und Ziege. Schweinefleisch ist verboten. Damit das Fleisch der erlaubten Tiere koscher ist, müssen die Tiere rituell geschlachtet, das heisst geschächtet werden. Zudem kennt die koschere Küche eine strikte Trennung von Milch und Fleisch. Spaghetti Bolognese mit Parmesan zum Beispiel sind in der jüdischen Küche nicht erlaubt. 

Auch Pharmagigant Novartis kümmert sich um die religiösen Vorschriften: «Die Inhaltsstoffe einiger Novartis-Produkte in einigen Ländern enthalten Nicht-Halal-Bestandteile», erklärt Novartis auf Anfrage. Je nach Land werden die Vorschriften mehr oder weniger streng durchgesetzt. Steht das Leben des Gläubigen auf dem Spiel, sind gar Ausnahmen erlaubt: «Beispielsweise zur Behandlung von Krebs können die entsprechenden Länder auch die Verwendung von Nicht-Halal-Medikamenten zum Wohl des Patienten gestatten.»

Auch wenn sie nicht gerne darüber reden, halal ist für viele Schweizer Firmen Alltag! 

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