Fabrik in Bern produziert islamkonform
Toblerone ist jetzt halal

Was Muslime geniessen, muss im Einklang mit ihren Geboten stehen. Seit neustem ist ihnen auch der Genuss von Toblerone erlaubt, und Nestlé produziert in mehr als 100 Fabriken islamkonform.
Publiziert: 16.12.2018 um 08:23 Uhr
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Aktualisiert: 21.12.2018 um 11:11 Uhr
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Entspricht jetzt auch dem Koran: die Toblerone aus Bern.
Foto: Jessica Keller
Tobias Marti (Text), Igor Kravarik (Illustration)

Ob London, Tokio, Riad oder New York – jede Toblerone, die irgendwo auf der Welt unter einem Weihnachtsbaum landet, hat den Herkunftsort Bern. Und dort ist man auf die weltbekannte Zackenschoggi stolz. Auch wenn Toblerone längst dem US-Unternehmen Mondelez gehört, weiss in Bern-Brünnen jedes Kind: Die Schoggi läuft hier bei uns vom Band.

Was bisher unter dem Radar blieb: Neuerdings gilt jede Toblerone als halal, also auch für Muslime als erlaubt. Seit April entspricht die Süssigkeit dem islamischen Reinheitsgebot. Mondelez hat das Werk in Bern entsprechend zertifizieren lassen, wie eine Sprecherin gegenüber SonntagsBlick bestätigt. Zutaten und Produktion entsprechen nun Halal-Standards: «Die Originalrezeptur der Toblerone blieb dabei unverändert.» Mondelez begründet die Umstellung damit, dass Toblerone zu 
97 Prozent in den Export geht.

«Halal» heisst auf Arabisch «gestattet» oder «zulässig». Was halal ist, entspricht dem Recht des Korans. Und das bedeutet mehr als nur den Verzicht auf Schweinefleisch oder Alkohol, mehr als das umstrittene Schächten von Schlachtvieh. «Es ist eine Lebensphilosophie», sagt Mounir Khouzami vom Swiss Arab Network, das der Förderung von Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und arabischen Ländern dienen will.

Das Thema halal ist politisch aufgeladen

Es gehe dabei auch um ethische Fragen, Kinderarbeit beispielsweise sei ebenso «haram» – also: verboten – wie Eier aus Legebatterien. Halal-Standards gelten nicht allein für Lebensmittel, sondern auch in der Medizin-, Pharma-, Kosmetik-, Mode- oder Bankenbranche: «Man ist bedacht auf Sauberkeit und Reinheit», so Khou­zami, auf Eigenschaften also, die auch mit der Schweiz assoziiert würden.

Das Thema ist politisch aufgeladen. Auf Firmen, die mit dem Prädikat «halal» werben, wird in sozialen Medien mit Boykottaufrufen reagiert. Mondelez verzichtet deshalb darauf die neuste Errungenschaft anzupreisen: «Die Halal-Zertifizierung ist nicht auf der Packung angebracht.» Man möchte die Halal-Produktion auch lieber nicht öffentlich präsentieren.

Schweizer Unternehmen tun sich manchmal schwer damit, Halal-Produkte zu vermarkten, sagt Mounir Khouzami: «Sie haben Angst, Schweizer Konsumenten zu vergraulen.» Doch Halal-Standardisierungen gehöre die Zukunft, ist er überzeugt.

Bei Nestlé produzieren über 100 Fabriken halal

Nestlé, der grösste ­Lebensmittelkonzern der Welt, sieht das ähnlich. Als Präsident Paul Bulcke vor fast zehn Jahren seinen Posten antrat, machte er schnell klar, mit Halal-Food zur Nummer eins werden zu wollen. Weltweit. Der Plan scheint aufzugehen. Aus 80 Werken, die damals halalzertifiziert waren, machte Nestlé «über 100 Fabriken», wie eine Sprecherin gegenüber SonntagsBlick betont. Mittlerweile produziert jede vierte Nestlé-Fabrik unter Aufsicht der Muftis.

Auch Emmi mischt in dem neuen Geschäftsbereich mit. 100 Produkte seien bereits halal, so eine Sprecherin: Butter und Milchpulver für die Industrie oder Joghurts, Desserts und Käsesorten für den Export in den Nahen und Fernen Osten.

Halal-Produkte werden den Weltmarkt verändern

Das Halal-Business brummt, denn die Nachfrage wächst so rasend schnell wie die muslimische Weltbevölkerung. In Frankreich mit rund sechs Millionen Muslimen hat die Sparte Halal bereits Biolebensmittel überholt. Nebst dem arabischen Raum sind auch asiatische Boomstaaten wie Indone­sien oder Malaysia der islamischen Welt zuzuordnen.

«Zehn von 25 der am schnellsten wachsenden Märkte haben grosse muslimische Populationen», sagt Khouzami. Managern rät er darum, weniger geografisch zu segmentieren und zu planen, sondern mehr nach Religionszugehörigkeit.

Mit fast zwei Milliarden muslimischen Konsumenten sind Halal-Produkte drauf und dran, den Weltmarkt zu verändern. Die ersten Schweizer Lebensmittelfirmen haben die Zeichen der Zeit offenbar erkannt.

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