Die Corona-Krise vermieste ihnen das letzte Schuljahr. Doch immerhin haben viele Schulabgänger, die im Herbst eine Lehre starten wollen, einen Lehrvertrag in der Tasche. Entgegen den Befürchtungen lag die Zahl abgeschlossener Lehrverträge Ende Juni nur drei Prozent unter den Vorjahren, wie die Lehrstellen-Taskforce des Bundes erhob.
Die grossen Lehrlingsausbildner Migros, SBB, Coop, Post, UBS, Credit Suisse und Novartis haben für das neue Lehrjahr ab August mindestens etwa gleich viele Lehrverträge abgeschlossen wie 2019. Mehr Lehrlinge an Bord nehmen gemäss einer BLICK-Umfrage bei rund zwei Dutzend Unternehmen etwa Swisscom, Sunrise und Swiss. Dennoch sieht der oberste Bildungsforscher des Bundes, Stefan Wolter (54), keinen Grund zum Jubeln: «Die Grossunternehmen haben die meisten Lehrverträge 2020 schon vor Ausbruch der Corona-Krise abgeschlossen», sagt er.
Konkurswelle trifft Lehrstellen
Ihn überrascht auch nicht, dass die Grossunternehmen bei der Weiterbeschäftigung von Lehrabgängern dieses Jahr keine Abstriche machen und mindestens so viele Ausgebildete behalten wie in den Vorjahren. «Grossfirmen können Schocks gut verdauen und akzeptieren die Nettokosten der Ausbildung, weil sie sie als längerfristige Investition sehen», erklärt der Direktor der Koordinationsstelle für Bildungsforschung vom Bund.
Trotz derzeit beruhigender Zahlen werde die Corona-Krise ab nächstem Jahr auf die Berufsbildung durchschlagen. Parallel zum Anstieg der Arbeitslosigkeit. Gemäss Wolters Studie zu den Folgen von Covid-19 auf den Lehrstellenmarkt wird der Corona-Schock noch in fünf Jahren spürbar sein. «Bis im Jahr 2025 wird sich die Zahl der Lehrverträge wegen Corona um 20'000 vermindern», schreibt er. Die Studie der Universitäten Bern und Zürich basiert auf den Konjunkturprognosen des Staatssekretariats für Wirtschaft.
Zum Rückgang steuere unter anderem die erwartete Konkurswelle bei, die vor allem kleine Firmen treffe, die sich bisher dank Kurzarbeit, Corona-Krediten und dem Betreibungsstopp über Wasser hielten, ergänzt Wolter. Und: «Wenn der Schutz weg ist, wird sich in zwei, drei Monaten zeigen, welche Firmen überlebensfähig sind.» Kleinbetriebe würden nicht das Risiko eingehen, einen Lehrling einzustellen, wenn nicht klar sei, ob sie in einem Jahr überhaupt noch genügend Arbeit hätten.
Verunsicherte Betriebe stellen keine Lehrlinge ein
Die Unsicherheit bei den Kleinen ist ein grosses Problem für den Schweizer Lehrstellenmarkt. Denn Betriebe mit bis zu 45 Angestellten schaffen 62 Prozent aller Lehrstellen. Bereits jetzt sind in Gastronomie und Tourismus grössere Rückgänge bei der Anzahl Lehrstellen absehbar. Der Verband Gastrosuisse schätzt, dass heuer mehr als 20 Prozent der Lehrstellen anderer Jahre fehlen. Genaue Zahlen lägen noch nicht vor. Coiffeur-Suisse-Zentralpräsident Damien Ojetti sagt: «Wir spüren eine grosse Verunsicherung, viele Coiffeursalons wissen nicht, ob sie Kapazität für Lehrlinge hätten.»
Bildungsexperte Wolter ist sich sicher: «Schwierig wird es im Herbst, wenn viele Firmen noch nicht wissen, wie es ihnen wirtschaftlich geht.» Besonders unter Druck kämen nicht nur Tourismus und Gastronomie, sondern auch Zulieferer von Exportfirmen.
Ungünstig würde sich die nächsten Jahre auch die Demografie auswirken. Wegen geburtenstarker Jahrgänge würden jährlich rund 0,25 bis 0,5 Prozent mehr Schulabgänger erwartet. «Deshalb reicht es nicht, wenn die Lehrbetriebe künftig gleich viele Lehren anbieten», betont Wolter. Das Angebot an Lehrstellen müsste zunehmen, um die Nachfrage zu decken.
Lehrstellenparadies ist passé
Obwohl letztes Jahr 10'000 Lehrstellen offen blieben, hätten mehr als 10'000 Jugendliche eine Zwischenlösung gesucht. Abgeschlossen wurden rund 80'000 Lehrverträge. Viele ausgeschriebene Lehrstellen entsprechen nicht der Nachfrage der Jugendlichen. Für Wolter steht fest: «Für alle, die eine Lehrstelle suchen, sollte es die nächsten Jahre noch einen Platz haben, aber nicht unbedingt im gewünschten Beruf oder der bevorzugten Firma.» Schluss also mit dem Lehrstellenparadies Schweiz.
Dem Bund war klar, dass die Corona-Krise massive Auswirkungen auf die Lehrstellen haben könnte. Daher hat die Landesregierung Anfang Mai eine Taskforce einberufen. «Perspektive Berufslehre 2020» soll dafür sorgen, dass möglichst viele Jugendliche per Anfang August 2020 eine Lehrstelle finden.
Ganz so schlimm wie befürchtet, sind die Auswirkungen bis jetzt zwar nicht. Im Vergleich zum Vorjahr sind Stand Ende Juli nur drei Prozent weniger Lehrverträge abgeschlossen worden. Allerdings gibt es regionale Unterschiede: Im Tessin sowie in der Romandie hinkt man deutlicher hinterher.
Der Bund greift den Kantonen, die für den Vollzug der Berufsbildung zuständig sind, auch finanziell unter die Arme. Im Rahmen der Corona-Krise hat er bis jetzt zehn Projekte aus allen Landesteilen mit insgesamt zwei Millionen Franken unterstützt. Darunter sind Projekte, die Jugendlichen, die noch keine Lehrstelle gefunden haben, bei der Suche helfen. Oder solche, die noch freie Lehrstellen verstärkt bewerben.
Dem Bund war klar, dass die Corona-Krise massive Auswirkungen auf die Lehrstellen haben könnte. Daher hat die Landesregierung Anfang Mai eine Taskforce einberufen. «Perspektive Berufslehre 2020» soll dafür sorgen, dass möglichst viele Jugendliche per Anfang August 2020 eine Lehrstelle finden.
Ganz so schlimm wie befürchtet, sind die Auswirkungen bis jetzt zwar nicht. Im Vergleich zum Vorjahr sind Stand Ende Juli nur drei Prozent weniger Lehrverträge abgeschlossen worden. Allerdings gibt es regionale Unterschiede: Im Tessin sowie in der Romandie hinkt man deutlicher hinterher.
Der Bund greift den Kantonen, die für den Vollzug der Berufsbildung zuständig sind, auch finanziell unter die Arme. Im Rahmen der Corona-Krise hat er bis jetzt zehn Projekte aus allen Landesteilen mit insgesamt zwei Millionen Franken unterstützt. Darunter sind Projekte, die Jugendlichen, die noch keine Lehrstelle gefunden haben, bei der Suche helfen. Oder solche, die noch freie Lehrstellen verstärkt bewerben.