Applaus von Gewerkschaften
Post brummt Pöstlern immer mehr Zusatzdienste auf

Briefe werden immer weniger verschickt und bei den Päckli rückt ihr die Konkurrenz immer härter auf die Pelle. Also überlegt sich die Post, womit die Pöstler auf ihren Zustelltouren sonst noch Geld machen könnten. Selbst die Gewerkschaften finden das toll, denn das könnte Jobs retten.
Publiziert: 26.11.2018 um 20:17 Uhr
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Neue Geschäftsmodelle sind deshalb gefragt.
Foto: Keystone
Christian Kolbe

Der Pöstler bringt der alten Dame im 3. Stock den Brief ihrer Enkeltochter und ihr Klatschmagazin. Doch damit nicht genug, er erklärt der rüstigen Rentnerin auch gleich noch die Funktion ihrer neuen Notruf-Uhr und richtet sie nach ihren Bedürfnissen ein.

Utopie? Nein, Realität im Grossraum Zürich. Dort läuft derzeit ein Pilotversuch, bei dem Pöstler für ein Start-up Beratung und Installation von Notruf-Uhren durchführen (BLICK berichtete). Auf einer Zustelltour der Post zählt im Normalfall jede Sekunde, Zeit für einen Schwatz oder gar eine Beratung bleibt da keine.

Bereits müssen die Pöstler auf ihren Touren, etwa für den Lebensmittelriesen Nestlé, immer wieder einmal Müsterli in die Briefkästen verteilen. Oder auch mal Lebensmittel in Boxen an die Haushalte ausliefern.

Abklären, was Geld bringt

Das müsste eigentlich die Gewerkschaften auf den Plan rufen, die sonst immer befürchten, dass der Arbeitnehmer ausgepresst wird. Doch Fehlanzeige! Die Gewerkschaft Transfair begrüsst es sogar, dass die Post dem Wegbrechen des bisherigen Geschäftsmodells nicht einfach tatenlos zuschaut: «Wir wollen, dass die Post neue Dienstleistungen ausprobiert und abklärt, was überhaupt markttauglich ist», erklärt der für die Post- und Logistikbranche zuständige René Fürst auf Anfrage von BLICK.

Denn: «Neue Dienstleistungen können helfen, Arbeitsplätze zu erhalten.» Allerdings schränkt der Transfair-Vertreter ein, dass solche Zusatzgeschäfte nur dann Sinn machten, wenn sich damit Geld verdienen liesse. Und vor allem: «Wichtig ist, dass die Pöstler dafür entsprechend geschult werden – und Zeit für diese Zusatzdienstleistungen bekommen.» 

Bekommen sie, wie die Post versichert: Für das Pilotprojekt wurden die Zustelltouren so gelegt, dass den zehn Pöstlern, die sich freiwillig für das Projekt gemeldet haben, genügend Zeit für die Beratung bleibt.

In Frankreich schaut der Pöstler zur Verwandtschaft

Auch die Gewerkschaft Syndicom findet das Ansinnen der Post, sich neue Geschäftsfelder zu erschliessen, grundsätzlich gut. Allerdings dürfen die Zusatzaufgaben den Angestellten nicht einfach aufgezwungen werden: «Entscheidend ist für uns der Einbezug des Personals schon im Vorfeld eines solchen Projekts. Denn nur die Pöstler mit ihrer Praxiserfahrung können beurteilen, was während einer Zustelltour möglich ist und was nicht», sagt Christian Capacoel (40), Sprecher von Syndicom.

Vielleicht erleben wir bald Angebote wie in Frankreich. Dort können Verwandte bei der Post für gut 22 Franken ein Abo lösen, dass der Postbote einmal in der Woche bei der Grossmutter oder dem Grossvater vorbeischaut, klingelt und sich nach dem Wohlbefinden älterer Menschen erkundigt. Und der Familie anschliessend Bericht erstattet – oder falls nötig den Pflegedienst aufbietet.

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