Jean-Pierre Wüthrich will. Doch der 59-Jährige hat keine Chance. Seit über einem Jahr ist der Buchhalter aus dem bernischen Kirchlindach arbeitslos. Seinen Mut und Frohsinn hat er deshalb nicht verloren, wie er BLICK im Gespräch versichert. «Ich bleibe positiv, ich schaffe das!»
Über 250 Bewerbungen hat Wüthrich seit August 2018 geschrieben. Das sind im Schnitt fast 21 pro Monat. Jede Bewerbung ist mit der kleinen Hoffnung verbunden, bald wieder ein geregeltes Leben führen zu können, bald wieder arbeiten zu dürfen.
Doch die Hoffnung schwindet mit jeder Absage. Man habe sich für einen anderen Mitbewerber entschieden und wünsche viel Erfolg bei der weiteren Stellensuche, antwortet ihm Unternehmen für Unternehmen. Wüthrich: «Aber ich will doch arbeiten!»
Unternehmen müssen «aufwachen»
Wüthrichs Lebenslauf liest sich wie der Werdegang so vieler Angestellten in diesem Land, die das fünfzigste Lebensjahr überschritten haben. Lehre als Kaufmann in den 1970er-Jahren, interne Schulungen in den 1980er-Jahren, Computer-Weiterbildungen in den 1990er-Jahren, Diplom als Fachmann im Finanz- und Rechnungswesen in den Nullerjahren.
Wüthrich ist nicht stehen geblieben, Wüthrich blieb am Ball. Gleichwohl fiel er aus dem Arbeitsmarkt. «Es heisst immer, wir müssten bald bis 70 arbeiten», konstatiert er. «Aber wie, wenn uns niemand will?»
Ihn begleitet die Hoffnung, dass die Unternehmen künftig vermehrt auf ältere Arbeitnehmer setzen. «Die Unternehmen müssen endlich aufwachen!», sagt er.
Was ihn am meisten ärgert, ist, dass man ihm oft bescheide, überqualifiziert zu sein.
«Kein Bock mehr auf Absagen»
So wie Wüthrich geht es vielen Arbeitssuchenden in fortgeschrittenem Alter. Dutzende Zuschriften und Kommentare von BLICK-Lesern in gesetztem Alter zeugen davon. Der Frust sitzt tief. «Ich habe über 200 Bewerbungen geschrieben», sagt Andreas Portmann-Böni aus Zürich. «Als ich keinen Bock mehr hatte auf blöde Absagen, habe ich mich mit einer Reinigungsfirma selbständig gemacht.» Für ihn ist klar: «Wenn ich pensioniert werde, verlasse ich die Schweiz! Rentenbesteuerung und hohe Lebenshaltungskosten zwingen mich dazu.»
Immer wieder melden sich ältere Arbeitslose bei BLICK. Sie erzählen ihre persönliche Arbeitslosengeschichte, sind zuerst einmal froh, dass Ihnen überhaupt jemand zuhört. So wie Beat Hossli (Bild). Er hat jahrelang gut verdient. Dann verlor er im Alter von 50 Jahren seinen Job. Das war vor sechs Jahren. Seither findet er keine Stelle mehr. Lesen Sie hier mehr. Der Bund will die Lage bei Ü50-Arbeitslosen entschärfen. Ein Paket, angestossen von den Gewerkschaften, soll die Situation beruhigen. Wie stehen Sie zum Top-Thema arbeitslos im Alter? Kommentieren Sie mit in der Kommentarspalte am Schluss des Berichts über Jean-Pierre Wüthrich (59).
Immer wieder melden sich ältere Arbeitslose bei BLICK. Sie erzählen ihre persönliche Arbeitslosengeschichte, sind zuerst einmal froh, dass Ihnen überhaupt jemand zuhört. So wie Beat Hossli (Bild). Er hat jahrelang gut verdient. Dann verlor er im Alter von 50 Jahren seinen Job. Das war vor sechs Jahren. Seither findet er keine Stelle mehr. Lesen Sie hier mehr. Der Bund will die Lage bei Ü50-Arbeitslosen entschärfen. Ein Paket, angestossen von den Gewerkschaften, soll die Situation beruhigen. Wie stehen Sie zum Top-Thema arbeitslos im Alter? Kommentieren Sie mit in der Kommentarspalte am Schluss des Berichts über Jean-Pierre Wüthrich (59).
BLICK-Leser Mario Daniele aus Luzern hat nach über 500 Bewerbungen aufgehört zu zählen. Er hat das Vertrauen in Politik und Wirtschaft «komplett verloren». Daniele glaubt, nur die kritische Masse könne es richten: «Gemeinsam können wir Älteren etwas bewegen – so wie die Gelbwesten in Frankreich. Zeigen, dass man noch da ist!»
Claudia Bieri aus Sursee LU fordert: «Man sollte die Menschen nach den Qualifikationen beurteilen und nicht nach dem Alter!»
Auch Hochqualifizierte betroffen
Viele BLICK-Leser fühlen sich von den Unternehmen verschaukelt. Stellvertretend sagt Benedikt Richter aus Rupperswil AG: «Meine Frau bekam mit 56 eine Auszeichnung für 25 Jahre treue Dienste im Unternehmen.» Ein Jahr später habe sie die Kündigung erhalten. «Dann mit 57 über hundert Bewerbungen geschrieben.» Zusagen: null.
Was auffällt: Oft sind es gut bis hoch qualifizierte Arbeitskräfte, deren Aussichten auf einen Job trübe sind. «59, sechs Monate, 300 Bewerbungen, 300 Absagen», schreibt Illias Maier aus Veyrier GE. Die Zuschriften zeigen: Der Arbeitsmarkt ist knallhart, Menschen im gesetzten Alter haben hartes Brot zu kauen.