700 Novartis-Stellen weg – in Stein AG geht die Angst um
«Angebot zur Umschulung ist ein PR-Gag»

Allein in Stein AG streicht Novartis 700 Stellen. BLICK hat mit Direktbetroffenen gesprochen. Und sich im 3000-Seelen-Dorf umgehört.
Publiziert: 26.09.2018 um 08:47 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2018 um 21:23 Uhr
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Ein Novartis-Angestellter erzählt BLICK-Reporter Patrik Berger (r.) von seinen Zukunftsängsten.
Foto: STEFAN BOHRER
Patrik Berger

Die Stimmung ist gedrückt vor dem Novartis-Werk in Stein AG. Ein Mann holt seine Frau ab, sie wirft sich ihm schluchzend um den Hals. Wenige Meter entfernt steht ein Dutzend Männer. Sie rauchen schweigend und tippen auf ihren Handys. Sie teilen wohl ihren Liebsten mit, welche Schreckensnachricht sie am frühen Morgen erhalten haben.

Novartis streicht in der Schweiz rund 2100 Jobs. Dass heisst, jeder Sechste muss gehen. Allein in Stein sollen es 700 Produktionsjobs sein, wie der Pharmakonzern gegenüber BLICK bestätigt. Insgesamt beschäftigt Novartis 13’000 Mitarbeiter in der Schweiz. CEO Vas Narasimhan (42): «Wir wollen die Effektivität und Effizienz erhöhen.» Aber er verspricht: «Novartis bleibt fest in der Schweiz verankert.»

Auch 700 Bürojobs werden abgebaut

Doch nicht nur Produktionsstellen sind betroffen. 700 Bürojobs werden abgebaut und ins Ausland verlagert – unter anderem nach Indien und Singapur. Immerhin: In Stein wird derzeit eine Fabrik für Zell- und Gentherapie hochgezogen, wo künftig 450 Angestellte arbeiten sollen.

Andreas S.* (32) wurde gestern zusammen mit Hunderten Kollegen über den Kahlschlag informiert. Er beschreibt BLICK die Stimmung im Saal: «Wir haben mit einem Abbau gerechnet», sagt er. «Dass er aber so hoch ausfällt, das hätte niemand gedacht!» Die Info-Veranstaltung sei eine Farce gewesen. Das Management sei gar nicht auf die Fragen der Arbeiter eingegangen. «Die haben einfach ihre Vision vorgestellt, als hätten sie vor Investoren gesprochen.»

«Angebot zur Umschulung ist ein PR-Gag»

Das Klima im Werk Stein sei sehr schlecht. «Vor allem Ältere haben grosse Angst, keinen Job mehr zu finden», sagt S. Die angebotene Umschulung für die neue Produktion für Zell- und Gentherapie hält er für einen «PR-Gag». «Die meisten meiner Kollegen haben gar nicht die Qualifikationen, um diese zu schaffen.»

Er hat keine Hoffnung: «Als Temporär-Angestellter werde ich meinen Job verlieren. Drum bemühe ich mich ab morgen um eine neue Stelle.» Vom CEO Narasimhan halten er und seine Kollegen nicht viel. «Wir befürchten, dass das nicht der letzte Kahlschlag war.»

«Dann kann ich meinen Imbiss schliessen»

Im Dorf ist der Stellenabbau Thema Nummer eins. «Ich lebe von den Novartis-Angestellten», sagt Beizer Dopan Biryar (50). «Wenn die nicht mehr kommen, kann ich meinen Imbiss schliessen. Nach 13 Jahren!»

Auch Kioskfrau Daniela Ballardin (53) hat Angst. «Viele kaufen bei mir auf dem Weg zur Arbeit noch etwas Kleines.» Wenn der Abbau wirklich komme, müsse sie über die Bücher. «Ohne die Novartis-Leute müsste ich wohl aufhören.»

*Name geändert

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