Wird als Held gefeiert
Mann überfällt Bank, um an sein Geld zu kommen

Held oder Verbrecher? Im krisengeschüttelten Libanon überfällt ein Mann eine Bank, um an sein eigenes Geld zu kommen. Eine Verzweiflungstat: Das Land steckt in einer schweren Krise.
Publiziert: 04.02.2022 um 17:54 Uhr
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Ein Mann hat im Libanon eine Bank überfallen, um an sein Geld zu kommen.
Foto: AFP

Er überfiel eine Bank – aber nur, um an sein eigenes Geld ranzukommen. Am 18. Januar wollte der Cafébesitzer Abdallah A. (37) in der örtlichen Filiale der BBAC-Bank 50'000 Dollar abheben. Sein Café war wenige Tage zuvor überfallen worden, er brauchte Bares. Ausserdem hatte er 8000 Dollar Schulden bei Gemüsehändlern, die er mit dem Geld bezahlen wollte. Die Bank allerdings weigerte sich, ihm dieses auszuzahlen.

Denn seitdem das Land im Herbst 2019 in eine tiefe Währungskrise gefallen war, hat die Zentralbank des Landes alle Bankguthaben eingefroren. Seither können die Bürger nur noch kleine Beträge abheben.

Wie die arabische Tageszeitung «The National» berichtete, war Abdallah A. Anfang 2019 aus Venezuela in den Libanon zurückgekehrt. Kurz vor Anfang der Krise verkaufte er Land für 400'000 Dollar, den Grossteil investierte er in sein Café. Den Rest brachte er zur Bank.

Dramatische Geiselnahme

Weil er nicht mehr an das Geld rankam, entschied er sich für einen krassen Schritt. Abdallah ging mit einer Pistole in die Bank, nahm sieben Angestellte als Geiseln, schüttete nach deren Angaben Benzin auf den Boden und drohte damit, alle anzuzünden. Nach vierstündiger Geiselnahme händigten diese ihm schliesslich 50'000 Dollar aus.

Als die Polizei wenig später eintraf, liess sich der 37-Jährige widerstandslos festnehmen, konnte aber das erbeutete Geld noch seiner Frau zustecken. Dieser ist es gelungen, damit zu entkommen. Sie wird nun von der Polizei gesucht.

Held oder Verbrecher?

Wie viel Gewalt Abdallah Assai bei seiner Tat wirklich anwandte, ist nicht klar. Im ganzen Land wird nun darüber gestritten, ob es sich bei Assai um einen Volkshelden oder einen Verbrecher handelt.

Für Assais Vater ist die Sache aber klar. «Er hatte gar keine andere Wahl. Die Wirtschaftslage stranguliert uns alle. Hätte er sich umbringen sollen?», sagt er zum «Spiegel».

Auch der örtliche Scheich Muhammad Assaja zeigt Verständnis für den Bankräuber: Man müsse die Umstände verstehen, die ihn dazu getrieben hätten. Von einigen wird A. geradezu als Held verehrt. In der Ortschaft, wo sich der Fall abspielte, hiess es während einer Predigt, dass der Staat den Mann freilassen sollte: «Wir sind alle Abdallah A.»

Im Libanon herrscht Chaos. Einst das kulturelle und intellektuelle Zentrum des Nahen Ostens, kämpft das Land heute ums Überleben. Viele Menschen bekommen fast keinen Strom mehr und können sich Diesel, Nahrung und Medikamente kaum noch leisten. Der Sturz des Bruttosozialprodukts um 60 Prozent in zwei Jahren hat das einst reiche Land tief im Mark getroffen. (ced)

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