Die Impfquote in der Schweiz dümpelt bei unter 70 Prozent vor sich hin. Einige haben Vorbehalte gegenüber der Sicherheit der Impfstoffe. Andere haben schlicht und einfach Angst vor der Spritze. Genau das soll in Zukunft kein Problem mehr sein: Forscher tüfteln an Impfungen per Pflaster statt Spritze.
Ein Team aus Australien und den USA hat in der Fachzeitschrift «Science Advances» nun vielversprechende Ergebnisse von Versuchen mit Mäusen publiziert. Die Forscher bestückten Plastikpflaster mit der Fläche von einem Quadratzentimeter mit mehr als 5000 mikroskopisch kleinen Stacheln, «so winzig, dass man sie gar nicht sehen kann», erklärt der Virologe David Muller von der australischen University of Queensland.
Pflaster wirksamer als Spritzen
Die Spitzen wurden mit einem experimentellen Impfstoff beschichtet, das Pflaster mit einem Applikator aufgeklebt. «Das fühlt sich an, als würde man einen Schnipser auf die Haut bekommen», sagt Muller. Dabei verwendeten die Forscher einen sogenannten Subunit-Impfstoff, der das für das SARS-Cov-2-Virus spezifische Spike-Protein reproduziert.
Die Mäuse wurden zwei Minuten über das Pflaster oder mit einer Spritze geimpft. Das Immunsystem der Mäuse, die den Impfstoff über das Pflaster injiziert bekamen, produzierte nach zwei Dosen hohe Mengen an neutralisierenden Antikörpern – «auch in der Lunge, was für Covid-19 wichtig ist», schildert der Forscher. Dabei übertrafen die Ergebnisse laut Muller die der Impfung per Nadel bei Weitem.
Impfpflaster sind wirksamer als die Impfung per Spritze, weil letztere normalerweise in die Muskeln gespritzt wird, wo nur wenige der für die Reaktion auf den Impfstoff erforderlichen Immunzellen sitzen. Ausserdem verursachen nach Angaben der Forscher beim Impfpflaster die winzigen Stacheln das Absterben der Haut darunter, was den Körper alarmiere und eine grössere Immunreaktion auslöse.
Pflasterimpfstoff länger haltbar
Zudem bleibt der trocken auf das Pflaster aufgebrachte Impfstoff bei 25 Grad einen Monat lang und bei 40 Grad eine Woche lang stabil – im Gegensatz zu den Impfstoffen von Biontech/Pfizer oder Moderna, die nur einige Stunden bei Raumtemperatur überdauern. Dies bedeutet eine geringere Abhängigkeit von der Kühlkette, die in Entwicklungsländern oft nicht gewährleistet ist. Auch ist das Impfpflaster laut Muller «unglaublich einfach zu verabreichen», weil kein ausgebildetes Gesundheitspersonal erforderlich ist.
Burak Ozdoganlar, Professor für Ingenieurwissenschaften in Pittsburgh, sieht einen weiteren Vorteil: «Eine kleinere Menge Impfstoff, präzise auf die Haut aufgetragen, kann eine ähnliche Immunreaktion hervorrufen wie eine intramuskuläre Injektion», betont er. In einer Zeit mit knappem Impfstoff ist dies ein wichtiger Faktor.
Nicht zuletzt helfen die Impfpflaster, Menschen mit Angst vor Spritzen oder Kinder praktisch schmerzfrei zu immunisieren. Das in der neuen Studie verwendete Pflaster wurde vom australischen Unternehmen Vaxxas hergestellt, das mit der Entwicklung am weitesten fortgeschritten ist.
Bald Versuche am Menschen
Erste Versuche am Menschen sind ab April geplant. Auch die zwei US-Unternehmen Micron Biomedical und Vaxess sind im Rennen. Vaxess in Massachusetts arbeitet an einem Pflaster mit Mikronadeln, die sich in der Haut auflösen. Nächsten Sommer will das Unternehmen in klinischen Studien 2000 bis 3000 Menschen per Pflaster impfen. Die grösste Herausforderung ist derzeit die Produktion: Bisher ist kein Hersteller in der Lage, die Patches in grossen Mengen herzustellen.
Vaxess-Geschäftsführer Michael Schrader ist dennoch optimistisch. Die Corona-Pandemie habe der aufstrebenden Branche einen Schub gegeben, sagt er. «Das ist die Zukunft. In den nächsten zehn Jahren wird sich die Art und Weise, wie Impfstoffe auf der ganzen Welt verteilt werden, radikal ändern.» (SDA/sfa)