Auch zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie stellt das Coronavirus die Menschheit noch immer vor Rätsel. Wie kann es beispielsweise sein, dass ein solch hoch ansteckendes Virus manche Menschen verschont, die Kontakt mit Infizierten hatten?
Eine britische Studie, die im Fachmagazin «Nature» veröffentlicht wurde, liefert nun erste Erklärungen dafür. Darin wird vermutet, dass individuelle Unterschiede in der Aktivität bestimmter Zellen in unserem Immunsystem dafür verantwortlich sein könnten.
Untersucht wurde das Phänomen von einem Team aus Forschenden am University College London: Es hat bei Spitalmitarbeitenden, die täglich dem Coronavirus ausgesetzt sind, Hinweise auf besondere T-Zellen entdeckt. T-Zellen sind weisse Blutkörperchen und übernehmen gemeinsam mit Antikörpern die Aufgabe der Immunabwehr. Sie erkennen körpereigene Zellen, die von Viren infiziert worden sind und töten sie ab.
Zudem spielt das Immunprotein IFI 27 eine Rolle. Das Protein und die T-Zellen waren unerwartet zahlreich im Körper von Menschen entdeckt worden, die trotz Kontakt zu Corona-Infizierten gesund geblieben sind, heisst es in der Studie.
Protein IFI 27 als ausschlaggebender Hinweis
Die Forschenden untersuchten insgesamt 731 Mitarbeitende von englischen Spitälern, von welchen sich rund 22 Prozent mit dem Coronavirus infiziert hatten und eine hohe Anzahl Antikörper aufwiesen. Von den Mitarbeitenden ohne Antikörper untersuchten sie 58 Personen genauer. «Wir testeten sie auf T-Zellen und IFI 27», erklärt Forschungsleiter Leo Swadling gegenüber dem «St. Galler Tagblatt».
Dabei habe sich herausgestellt, dass 20 dieser Personen erhöhte T-Zellen und auch eine erhöhte Zahl des Proteins IFI 27 aufwiesen. Dieses Protein dient als ausschlaggebender Hinweis, dass diese Personen zwar Kontakt mit dem Virus hatten, ihr Immunsystem die Infektion aber vor einem Ausbruch erfolgreich abblocken konnten.
Swadling relativiert jedoch gegenüber CH Media: «Als wir im März 2020 mit unserer Arbeit begonnen haben, war das Ursprungsvirus aus Wuhan im Umlauf. Ob die Immunität auch bei den späteren Varianten wie Delta oder Omikron da ist, wissen wir nicht. Klar war aber im Sommer 2020, dass rund 10 bis 20 Prozent der Probanden resistent gegen Sars-CoV-2 waren.»
Kreuzimmunität ist immer noch Hypothese
Die sogenannte Kreuzimmunität, welche Swadling erwähnt, ist immer noch eine Hypothese, wird aber von mehreren Studien gestützt. «Personen, die ausgeprägte Immunantworten gegen menschliche Coronaviren haben, sind bis zu einem gewissen Grad auch vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 geschützt», erklärte Alexandra Trkola, Leiterin des Instituts für Medizinische Virologie, in einer Mitteilung.
Offen bleibt aber weiterhin, ob dies auch umgekehrt funktioniert, also ob eine Immunität gegen Sars-CoV-2 auch vor anderen Viren der Gattung Coronavirus schützt. Trkola: «Wäre dies so, kämen wir einem umfassenden Schutz gegen Coronaviren einen grossen Schritt näher.» (chs)