Bei dem erfolgreichen Einsatz «Operation Friedensquelle» hätten türkische Truppen den Ort unter ihre Kontrolle gebracht, erklärte das Verteidigungsministerium in Ankara am Samstag. Menschenrechtsaktivisten bestätigten lediglich die Ankunft der Truppen in Ras al-Ain und bestritten dabei, dass diese die Stadt eingenommen hätten.
Ras al-Ain liegt entlang einer wichtigen Versorgungsroute zwischen den Städten Tall Abjad im Westen und Kamischli im Osten. Die Kontrolle über beide Orte haben die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von Kurdenmilizen angeführt werden.
Gegen diese hatte die Türkei am Mittwoch eine lang geplante Offensive begonnen. Ankara sieht in den Milizen einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation.
Die Aussenminister der Arabischen Liga forderten ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen. Die Offensive sei eine «offenkundige Verletzung» der Souveränität Syriens, die den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) behindern und zu «neuen Krisen und mehr Flüchtlingen» führen werde, teilte Generalsekretär Ahmed Abul Gheit nach einer Dringlichkeitssitzung in Kairo am Samstag mit. Syriens Mitgliedschaft in der Arabischen Liga war 2011 wenige Monate nach Ausbruch der Aufstände im Land suspendiert worden.
Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.
Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.
Es droht eine neue Flüchtlingskrise
Der türkische Einmarsch hat in der Region eine neue humanitäre Krise ausgelöst. Seit dem Ausbruch der Kämpfe seien mehr als 100'000 Menschen vertrieben worden, teilte das Welternährungsprogramm (WFP) mit. Die meisten davon stammten aus Ras al-Ain und Tall Abjad. Diese Zahlen würden noch steigen, hiess es beim WFP in Genf.
Die Mehrzahl der Menschen sei nach Al-Hassaka geflüchtet. Die Wasserversorgung habe sich dort nach Angriffen auf eine Wasseranlage verschlechtert. Davon seien 400'000 Menschen betroffen. In Al-Hassaka versorgt das WFP derzeit rund 11'000 Menschen mit Fertignahrung.
Türkei soll US-Truppen beschossen haben
Im Streit über den Einsatz warfen die USA der Türkei den Beschuss amerikanischer Truppen vor. Die Einheiten seien am Freitag im syrischen Grenzgebiet zur Türkei unter Artilleriebeschuss geraten, teilte das US-Verteidigungsministerium mit. Der Vorfall nahe dem Grenzort Kobane sei aber glimpflich ausgegangen.
Das Pentagon fordert die Türkei auf, jegliche Handlungen zu vermeiden, «die eine sofortige Verteidigungsreaktion nach sich ziehen könnten».
Der Artilleriebeschuss führte nach Angaben aus Washington «wenige hundert Meter» entfernt von den US-Truppen zu einer Explosion. Der Vorfall habe sich in einer Gegend ereignet, «von der die Türken wissen, dass dort US-Streitkräfte präsent sind». Der US-Sender ABC News meldete kurz darauf, die Spezialeinheiten seien nach dem Vorfall von ihrem Posten abgezogen worden.
Türkei weist Vorwürfe zurück
Das türkische Verteidigungsministerium wies den Vorwurf zurück. Bei dem Vorfall seien türkische Grenzposten von Hügeln aus unter Beschuss genommen worden, die in der Nähe eines US-Beobachtungspostens lägen.
«Als Akt der Selbstverteidigung» sei Gegenfeuer auf Stellungen der «Terroristen» eröffnet worden; damit meint die türkische Regierung in der Regel kurdische Milizen. Dabei seien «alle Vorsichtsmassnahmen ergriffen» und keine US-Kräfte beschossen worden. Nach Rückmeldungen seitens der USA sei das Feuer «vorsichtshalber» eingestellt worden.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte bereits zuvor jede Kritik an der Militäroffensive zurückgewiesen. Die Türkei erhalte derzeit «von rechts und links Drohungen», sagte Erdogan am Freitagabend bei einer Ansprache in Istanbul. «Aber wir werden nicht stoppen. Wir werden keinen Schritt mehr zurückgehen.»
USA drohen mit Sanktionen
Die USA dringen auf einen Abbruch der Offensive und drohen Ankara harte Strafmassnahmen an. «Wenn wir müssen, können wir die türkische Wirtschaft stilllegen», warnte Finanzminister Steven Mnuchin. Die USA bereiteten «sehr harte Sanktionen» vor, die «jede Person mit Verbindungen zur türkischen Regierung» und auch Finanzinstitute treffen könnten. «Ich hoffe, dass wir sie nicht anwenden müssen.»
Die Türkei dürfe zudem keinesfalls erlauben, dass auch nur ein einziger IS-Gefangener im türkischen Einmarschgebiet entkomme.
Russland fordert Abzug ausländischer Truppen
Der russische Präsident Wladimir Putin forderte erneut einen Abzug ausländischer Truppen aus dem Bürgerkriegsland. «Jeder, der sich unrechtmässig in einem fremden Land befindet - in diesem Fall in Syrien -, sollte das Gebiet verlassen. Das gilt für alle Länder», sagte der Kremlchef dem Nachrichtensender Sky News Arabia zufolge.
Er habe darüber bereits mit den USA, der Türkei und dem Iran gesprochen. Putin schloss dabei nicht aus, dass sich auch sein Militär aus Syrien zurückziehen könnte, sofern Damaskus dies wünsche. Russland unterstützt den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.
Zahl der Todesopfer steigt
Die Offensive hat in den ersten Tagen bereits zahlreiche Menschen das Leben gekostet. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kamen seit Beginn der Offensive 28 Zivilisten ums Leben, darunter vier Menschen, die durch Luftangriffe türkischer Jets nahe Ras al-Ain getötet wurden.
Zu den Toten auf Seiten der Kurdenmiliz YPG gibt es stark widersprüchliche Zahlen. Die SDF gaben an, 23 ihrer Kämpfer seien umgekommen. Dagegen erklärte das türkische Verteidigungsministerium, mehr als 400 YPG-Kämpfer seien «ausser Gefecht» gesetzt worden.
Profitiert IS vom Konflikt?
Zudem gab es Befürchtungen über ein Wiedererstarken der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), deren Anhänger zu Tausenden in Gefängnissen in Nordsyrien einsitzen. Nach Angaben der SDF konnten fünf IS-Kämpfer die Offensive zu einem Ausbruch aus einem Gefängnis in Kamischli nutzen.
SDF-Sprecher Mustafa Bali machte die IS-Miliz für einen Autobombenanschlag vor einem Gefängnis in Al-Hassaka verantwortlich, in dem IS-Extremisten sitzen. Die SDF hätten Verstärkung dorthin geschickt, um einen Ausbruch von IS-Anhängern zu verhindern.
(SDA)
Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:
- Syrische Regierung
Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen. - Die Rebellen
Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig. - Die Türkei
Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden. - Die Kurden
Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes. - Die USA
Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.
- Der IS
Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.
Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:
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- Der IS
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