Kämpfe in Syrien gehen trotz Waffenruhe weiter
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Nach USA-Türkei-Deal:Kämpfe in Syrien gehen trotz Waffenruhe weiter

USA intensivieren Diplomatie im Syrien-Krieg
Pompe und Pence treffen Erdogan zu Gesprächen

Die Türkei hat Forderungen der USA nach einem Stopp ihrer Militäroffensive gegen die Kurden in Nordsyrien brüsk zurückgewiesen. Erdogan schloss am Mittwoch eine Waffenruhe aus und lehnte Verhandlungen mit der Kurdenmiliz YPG ab.
Publiziert: 16.10.2019 um 17:31 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2019 um 09:30 Uhr
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Die kurdische YPG-Miliz leistete am Mittwoch in der nordsyrischen Grenzstadt Ras al-Ain weiter erbitterten Widerstand. Die Kämpfer zündeten Reifen an, um mit dem Rauch den türkischen Kampfjets die Sicht zu erschweren.
Foto: Lefteris Pitarakis

Die USA verstärken ihre diplomatischen Bemühungen, die Offensive der Türkei zu stoppen. Der Nationale Sicherheitsberater der USA, Robert O'Brien, flog am Mittwoch nach Ankara, wo er mit Aussenminister Mevlüt Cavusoglu zusammenkommen sollte.

Pompeo und Pence treffen Erdogan

Am Donnerstag wollen sich US-Vizepräsident Mike Pence und US-Aussenminister Mike Pompeo mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen. Es gehe darum, eine Lösung für Syrien zu finden, nicht die Beziehungen zur Türkei abzubrechen, sagte Pompeo dem Sender Fox.

Verwirrung gab es um ein für Donnerstag geplantes Treffen von Erdogan mit US-Vizepräsident Mike Pence und US-Aussenminister Mike Pompeo in Ankara: Erdogan lehnte ein Gespräch zunächst ab, lenkte dann aber doch ein. «Ich werde sie nicht treffen. Sie werden ihren jeweiligen Gegenpart treffen. Ich werde nur sprechen, wenn Trump kommt», sagte Erdogan dem Sender Sky News nach der Rede im Parlament. Sein Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun stellte kurz darauf aber klar, dass es doch ein Treffen mit der US-Delegation in Ankara geben werde.

Türkei schert sich nicht um US-Sanktionen

«Sie drängen uns, die Operation zu stoppen», sagte Erdogan mit Blick auf die USA laut türkischen Medien auf einem Rückflug aus Aserbaidschan. Das sei aber erst möglich, wenn die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) die geplante «Sicherheitszone» verlassen hätten. «Wir haben ein klares Ziel. Die Sanktionen bereiten uns keine Sorgen», sagte er angesichts der verhängten US-Strafmassnahmen.

Erdogan will keine Gespräche mit der YPG

Auch Gespräche mit der YPG lehnte Erdogan am Mittwoch in einer Rede im Parlament ab. «Einige Politiker versuchen zu vermitteln. In der Geschichte der Türkischen Republik hat sich der Staat noch nie mit einer Terrororganisation an einen Tisch gesetzt», sagte Erdogan, obwohl seine Regierung bereits mit der verbotenen PKK-Guerilla verhandelt hat, die sie als Terrororganisation einstuft. Die YPG-Kämpfer rief er auf, bis zum Abend ihre Waffen niederzulegen und abzuziehen.

Nato wird wegen Offensive nicht intervenieren

Die Türkei warb am Mittwoch bei den Nato-Partnern um Verständnis für die umstrittene Militäroffensive in Nordsyrien. In einer Sitzung des Nordatlantikrates informierte das Land über das Vorgehen und die Ziele der Intervention. Im Anschluss an die Unterrichtung musste sich die Türkei erneut Fragen und Kritik gefallen lassen.

Dass die Nato die türkische Offensive wie die EU verurteilt, ist trotz der Kritik vieler Alliierter ausgeschlossen. Dies liegt daran, dass Beschlüsse im Bündnis ausschliesslich auf Grundlage des Konsensprinzips gefasst werden und die Türkei damit bei allen Entscheidungen ein Veto-Recht besitzt.

Kurden kämpfen um Ras al-Ain

Die YPG-Miliz leistete derweil in der nordsyrischen Grenzstadt Ras al-Ain weiter erbitterten Widerstand. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP vor Ort hörte Artilleriefeuer und sah Rauch von Reifen aufsteigen, die die kurdischen Kämpfer anzündeten, um den türkischen Kampfjets die Sicht zu erschweren. Die syrisch-arabischen Milizen, die auf Seiten der türkischen Armee kämpfen, entsandten weitere Verstärkung, berichtete der Reporter.

Kurden kämpfen Seite an Seite mit syrischen Regierungstruppen

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete einen «Gegenangriff» der kurdischen Kämpfer auf die protürkischen Milizen zwischen Ain Issa und Tal Abjad. Es gebe «heftige Gefechte»». Die kurdischen Einheiten würden «gemeinsam» mit den syrischen Regierungstruppen kämpfen, die Damaskus auf Bitten der kurdischen Selbstverwaltung gegen die türkische Offensive geschickt habe, erklärte die Beobachtungsstelle.

Krieg in Syrien

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
KEYSTONE/AP/STR

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

US-Truppenabzug vor der Türkei-Offensive

Die Türkei sieht die YPG-Miliz wegen ihrer Nähe zur PKK als Bedrohung und stuft sie als «Terrororganisation» ein. Für die USA und andere westliche Staaten war die Kurdenmiliz hingegen jahrelang ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Terrormiliz IS.

Die USA hatten dann vergangene Woche mit dem Abzug ihrer Truppen aus Nordsyrien den Weg für die türkische Invasion freigemacht. Die kurdische Selbstverwaltung sah daraufhin keinen anderen Ausweg, als die Armee von Machthaber Baschar al-Assad zu Hilfe zu rufen.

Naht das Ende der kurdischen Autonomie in Syrien?

Assad hatte seine Truppen 2012 aus dem kurdischen Nordosten abgezogen und hingenommen, dass die Kurden dort eine eigene Verwaltung aufbauten.

Die Rückkehr der Armee in die Region signalisiert nun das Ende der kurdischen Autonomie und ist ein wichtiger Wendepunkt in dem mehr als achtjährigen Bürgerkrieg. Die Vereinbarung wurde von Russland vermittelt, das gute Beziehungen zu allen Konfliktparteien unterhält und insbesondere das Regime von Machthaber al-Assad.

Russland mahnt zur Mässigung im Konflikt

Russland mahnte die Türkei, die Offensive dürfe den politischen Prozess in Syrien nicht beschädigen. Die Regierung in Ankara müsse das Gebot der Verhältnismässigkeit beachten.

Zugleich sagte der russische Regierungssprecher Dmitri Peskow allerdings auch, Russland respektiere das Recht der Türkei zur Selbstverteidigung. Russland hält seine schützende Hand über den syrischen Präsidenten al-Assad und leistet ihm Militärhilfe gegen die Aufständischen. Erdogan trifft sich nächste Woche mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Die beiden Staatschefs kommen am Dienstag in der südrussischen Schwarzmeer-Stadt Sotschi zusammen, wie die türkische Präsidentschaft am Mittwoch mitteilte.

Bundesrat fordert eine diplomatische Lösung

Die Schweiz fordert von der Türkei, die Kampfhandlungen in Syrien einzustellen. Stattdessen solle die Türkei auf dem Verhandlungsweg auf eine sofortige Deeskalation und eine politische Lösung hinwirken, schrieb der Bundesrat am Mittwoch.

Der Bundesrat verurteilt den militärischen Eingriff der Türkei in Syrien. Er bezeichnet ihn als Verstoss gegen die Uno-Charta und somit als völkerrechtswidrig. Von der Türkei fordert er, die Kampfhandlungen einzustellen. (SDA)

Krieg in Syrien: Wer kämpft gegen wen?

Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:

  • Syrische Regierung
    Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
    Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen.

  • Die Rebellen
    Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig.

  • Die Türkei
    Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden.

  • Die Kurden
    Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes.

  • Die USA
    Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.

  • Der IS
    Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.

Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:

  • Syrische Regierung
    Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
    Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen.

  • Die Rebellen
    Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig.

  • Die Türkei
    Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden.

  • Die Kurden
    Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes.

  • Die USA
    Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.

  • Der IS
    Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.
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