Dies berichtete jedenfalls die sonst glaubwürdige, oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag. Türkische Truppen hatten den Ort mit Unterstützung von Rebellen der sogenannten Syrischen Nationalarmee zwei Tage zuvor unter ihre Kontrolle gebracht.
Kurdische Quellen bestätigten den Gegenangriff und die Eroberung von Ras al-Ain. Die Kurdenmilizen hätten auch das nahe gelegene Dorf Tall Halaf am Stadtrand von Ras al-Ain eingenommen. Eine offizielle Bestätigung aus Ankara gab es nicht. Der Sender CNN Türk berichtete, in der Nacht habe es schwere Gefechte in Ras al-Ain gegeben. Türkische Truppen versuchten, YPG-Kämpfer in Verstecken aufzuspüren.
In der Stadt Manbidsch wurden nach offiziellen Angaben ein türkischer Soldat getötet und 18 weitere verletzt.
Nach anderen europäischen Ländern erklärte am Dienstag auch Grossbritannien, es würden vorerst keine Waffen mehr an die Türkei geliefert, die für die Militäroffensive in Nordsyrien genutzt werden könnten. Man werde den Export sehr genau kontrollieren, sagte Aussenminister Dominic Raab. Die britische Regierung sei von der Militäroffensive der Türkei «tief enttäuscht".
Nach Angaben der Uno-Organisation für Migration (IOM) sind bereits mindestens 190'000 Menschen vor den Kämpfen geflohen. Rund 2000 seien auf dem Weg zum Irak, berichtete das Uno-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Genf. Die meisten fliehen vor dem türkischen Militär und mit ihm verbundenen syrischen Kampfgruppen nach Süden und kommen teilweise bei Verwandten unter, wie das Uno-Nothilfebüro (Ocha) berichtete.
Reporter ohne Grenzen verurteilte Angriffe auf Journalisten in der Region scharf und forderte die Türkei auf, Uno-Resolutionen zum Schutz von Reportern in Kriegsgebieten einzuhalten.
Am Mittwoch will sich der Uno-Sicherheitsrat erneut mit der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien beschäftigen. Deutschland habe im Namen der fünf EU-Mitgliedsländer des Rates - neben Deutschland sind das Polen, Belgien, Frankreich und Grossbritannien - beantragt, das Thema erneut bei einer Sitzung des Gremiums anzusprechen, hiess es am Dienstag in New York aus Diplomatenkreisen.
Die Türkei hatte die seit langem geplante Offensive im syrisch-türkischen Grenzgebiet vergangenen Mittwoch begonnen. Ankara begründet den Einsatz mit dem Recht auf Selbstverteidigung. Die Türkei betrachtet die Kurdenmiliz YPG sowie deren politischen Arm PYD als Terrororganisationen. Die YPG pflegt enge Kontakte zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die auch in den USA und in Europa auf der Terrorliste steht - allerdings nicht in der Schweiz.
Am Montag waren auch syrische Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad in dem kurdisch kontrollierten Norden des Landes eingetroffen. Sie werden von Russland unterstützt. Die SDF hatten sich nach dem angekündigten Abzug der US-Truppen hilfesuchend an Damaskus und Russland gewandt, die Vereinbarung zugleich aber als «schmerzhaften Kompromiss» bezeichnet. Russlands Syrien-Beauftragter Alexander Lawrentjew sagte der Agentur Tass, Russland werde eine direkte Konfrontation zwischen türkischer und syrischer Armee nicht zulassen.
Die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, 150 US-Soldaten hätten sich von Manbidsch aus auf den Weg in den Irak gemacht. Auch das russische Verteidigungsministerium teilte der Agentur Interfax zufolge mit, dass die US-Truppen Manbidsch in Richtung Irak verlassen hätten. Das russische Militär patrouilliere in der Gegend.
Die USA hatten am Montag wegen der Militäroffensive Sanktionen gegen türkische Minister verhängt und eine sofortige Waffenruhe gefordert. US-Präsident Donald Trump will seinen Vize Mike Pence so bald wie möglich zur Vermittlung zwischen den Kurden und den Türken nach Ankara schicken.
Strafmassnahmen wurden gegen Verteidigungsminister Hulusi Akar, Energieminister Fatih Donmez sowie Innenminister Süleyman Soylu verhängt. Mögliches Vermögen der Betroffenen in den USA wird eingefroren. Trump kündigte zudem die Anhebung von Strafzöllen auf Stahlimporte aus der Türkei auf 50 Prozent an. Verhandlungen über ein Handelsabkommen würden «umgehend» abgebrochen.
Die US-Sanktionen fielen allerdings nicht so scharf aus wie erwartet. Am Dienstag erholten sich türkische Aktien vom Einbruch am Vortag. Auch am Devisenmarkt hinterliessen die jüngsten politischen Entwicklungen kaum Spuren. Die türkische Lira hatte zum Wochenstart im Vergleich zum US-Dollar sogar etwas zugelegt. Am Dienstag gab sie ein wenig nach.
Im vergangenen Jahr hatte die US-Regierung Sanktionen gegen zwei türkische Minister wegen des Vorgehens der Türkei gegen einen amerikanischen Pastor verhängt. Schon die Androhung hatte die türkische Landeswährung Lira auf Rekordtiefstände geschickt. In den USA trieb parallel auch der Kongress Bemühungen um Sanktionen voran.
(SDA)