So werden ausländische Callcenter-Mitarbeiter zu neuen Namen gedrängt
«Es ist äusserst verletzend!»

Ihre Namen sind den Callcentern nicht schweizerisch genug. Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln werden von ihren Arbeitgebern dazu gedrängt, sich am Telefon mit Namen wie Müller oder Meier vorzustellen. Jetzt reden die Betroffenen!
Publiziert: 25.06.2017 um 23:37 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:55 Uhr
Marco Latzer

Sie heisst Gergana Dabic. Aber wenn sie für ein Zuger Verlagshaus potenzielle Kunden anrief, war sie Tanja Werder. «Du wirst mit deinem Namen nichts verkaufen», hätten ihr die Vorgesetzten am ersten Tag gesagt.

Die Masche der Callcenter, ausländische Mitarbeiter unter Schweizer Namen arbeiten zu lassen, hat System. Die «SonntagsZeitung» berichtete von einem Fall beim Versicherer Swiss Life, bei BLICK haben sich seither Mitarbeiter wei­terer Unternehmen gemeldet, denen die Chefs für ihre Arbeit am Telefon einen Schweizer Namen empfahlen. Bis vor zwei Jahren tat das auch Teamleiter Christian B. Heute sagt er: «Das ist Kundenver­arschung pur.» Er fordert mehr Kontrollen, gerade ausländisches Personal werde in der Branche schikaniert und ausgebeutet.

Es klang für sie wie ein schlechter Witz. «Ich wäre am liebsten aufgestanden und wieder gegangen», beschreibt Gergana Dabic (29) ihren ersten Arbeitstag im Callcenter eines Verlagshauses im Kanton Zug. Die Frau mit bulgarischen Wurzeln hiess damals noch Aleksandrova, sie spricht aber akzentfreies Schweizerdeutsch. Ihr bürgerlicher Name ist dem Vorgesetzten ein Dorn im Auge: «Er sagte: ‹Du wirst mit deinem Namen nichts verkaufen, such dir gefälligst einen Schweizer Namen aus!› Das war äusserst verletzend», so Dabic. Weil sie auf den Job an der Strippe angewiesen ist, geht sie als Tanja Werder auf Kundenfang – gedemütigt und mit angekratztem Stolz. «Am Anfang habe ich mich ständig verhaspelt und musste meinen neuen Namen von einem Zettel ablesen, damit ich mich wie gewünscht vorstellen konnte.» Nach einigen Monaten schmeisst sie den Job – weil sie sich nicht mehr verleugnen will. 

Ein weitverbreiteter Schwindel

Gergana Dabic ist mit ihrer Geschichte kein Einzelfall. Dass Callcenter-Mitarbeiter am Hörer Namensschwindel betreiben müssen, ist schon beinahe an der Tagesordnung. Wie die «Sonntagszeitung» berichtet, greifen auch angesehene Konzerne wie der Versicherer Swiss Life darauf zurück. Die Gründe liegen auf der Hand: Schweizer Namen schaffen Vertrauen. Und Vertrauen spült Geld in die Kassen. Indirekt gehen die Callcenter damit aber auch davon aus, dass ihre Kunden Rassisten sind.

Diese Erfahrung muss auch Milka Lazic (37) machen. Im Einsatz für einen grossen Kabelnetzbetreiber gibt sie sich am Hörer als Luzia aus. «Den Nachnamen habe ich mittlerweile verdrängt – er war austauschbar», sagt die Zugerin. Ihr wollte man den Namenswechsel als sinnvolle Massnahme verkaufen: «Uns wurde gesagt, das sei auch ein Schutz für uns – um Belästigungen zu entgehen!» Doch sie leidet: «Ich musste unter fremdem Namen Dinge für unsere Kunden schönreden. Wie es mir dabei geht, hat nie jemanden interessiert», erklärt Lazic. Deshalb kündigt sie nach einigen Monaten.

Nicht alle haben ein Problem damit

Mit Menschen wie Lazic hatte Christian B.* (45) bis vor zwei Jahren zu tun. Er war Teamleiter und drängte seine Mitarbeiter eifrig zu neuen Namen. Das sei «Kundenverarschung pur», gibt er zu. Aber: «Die meisten Angestellten haben damit kein Problem – sie wollen einfach nur Geld sehen. Ethik gibt es in diesem Business nicht!» Die Branche sei kaum reguliert, meint Christian B. und fordert mehr Kontrolle vom Staat. Gerade ausländisches Callcenter-Personal werde «schikaniert und gnadenlos ausgebeutet!»

*Name der Redaktion bekannt

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Leila El Asri (42, Marokko), Produktionsmitarbeiterin aus Möhlin AG: «Ich würde dies nicht akzeptieren, wenn mir jemand sagen würde, dass ich meinen Namen ändern müsste im Job. Ich bin stolz auf meinen Namen. Doch manchmal erleben wir auch Diskriminierung. Mein Sohn hat sich einmal mit dem Familiennamen für eine Lehrstelle beworben und wurde abgelehnt – die Stelle sei schon weg. Am nächsten Tag rief er mit einem Schweizer Namen an und es hiess, die Stelle sei noch zu haben.»
Foto: STEFAN BOHRER
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