Ein Pistenbully-Fahrer entdeckte am Donnerstag die Leichen eines Paares. Nach fast 75 Jahren gab der Tsanfleuron-Gletscher bei Les Diablerets VD sie frei.
Die Überreste des Pärchens waren grösstenteils im Eis eingefroren. Ein dunkler Haarschopf, ein Buch, genagelte Wanderschuhe sowie warme, altmodische Kleider ragten heraus - alles dank jahrzehntelanger Kühlung bestens erhalten (BLICK berichtete).
Jetzt sind die Eis-Leichen identifiziert. «Mama und Papa werden endlich ihre letzte Ruhe finden», sagt Marceline Udry-Dumoulin (79) in «Le Matin».
Mit vier Jahren wurde die Walliserin Vollwaise – wie ihre Schwester und ihre fünf Brüder. «Wir suchten unsere Eltern das ganze Leben lang. Nach 75 Jahren beruhigt mich dieser Fund.»
Vieh füttern
Der Schuhmacher Marcelin und die Lehrerin Francine waren 40 und 37 Jahre alt, als sie verschwanden. Am 15. August 1942 machte sich das Paar aus Savièse VS zu Fuss auf den Weg auf eine Alp. «Sie wollten das Vieh füttern und am gleichen Abend zurück sein», sagt die Tochter. «Meine Mutter ging zum ersten Mal mit. Vorher war sie immer schwanger und konnte den Weg nicht zurücklegen.»
2½ Monate lang suchte das ganze Dorf nach dem verschollenen Paar. «Dann mussten wir akzeptieren, dass meine Eltern nie mehr zurückkommen.»
Es war die schwere Zeit im Zweiten Weltkrieg. «Ich kann mich noch an die Schwester meines Vaters erinnern. Sie weinte auf der Treppe des Hauses und nahm mich in die Arme.» Die Geschwister wurden getrennt und in verschiedenen Familien platziert. «Ich hatte Glück und durfte bei meiner Tante bleiben.»
Nach dem Krieg verloren sich die Geschwister aus den Augen. «Wir lebten alle in der gleichen Region, doch wir hatten keinen Kontakt mehr untereinander.»
Weiss für Beerdigung
Ein Bruder, der Priester wurde, hielt 1957 auf dem Gletscher eine Gedenkmesse. «Ich ging selber dreimal hoch, um meine Eltern zu suchen», sagt die Tochter. «Ich fragte mich ständig, ob sie leiden mussten und was aus ihnen wurde. Ich bin glücklich, dass ich jetzt eine Antwort habe.»
Die Tochter lebt noch immer in ihrem Heimatdorf. «Ich werde an der Beerdigung kein Schwarz tragen. Ich denke, Weiss ist angebrachter. Das symbolisiert die Hoffnung, die ich nie aufgab.»