Sascha I.* (17) war der Polizei bekannt: Er war in den vergangenen Monaten der Jugendarbeit durch «Gewaltfantasien» aufgefallen, wie an der Pressekonferenz bekannt gegeben wurde. Auch an der Berufsschule machte er Anspielungen auf Gewalt.
Von einer akuten Gefährdung von Drittpersonen ging man bei den Behörden aber nicht aus – deshalb wurden keine Zwangsmassnahmen angeordnet. Es wurde allerdings eine Abklärung beim schulpsychologischen Diensts in Auftrag gegeben.
Hat man da auch sein Profil auf VKontakte – dem russischen Facebook-Pendant – beachtet? Dort gibt Sascha Einblicke in seine krude Gedankenwelt. Bei den Angaben über sich versucht der Teenager, so schockierend wie möglich rüberzukommen: Bei «Tätigkeiten» schreibt er: «Gewalt und Tötung von Kleinkindern.»
Seine Interessen seien Genozid, er arbeite bei der Al-Kaida und seine Firma heisse «Kinderschlachterei AG». Im gleichen Stil geht es weiter: Wenig überraschend schreibt er, dass sein Lieblingsbuch «Mein Kampf» sei, und dass sein Grossvater Adolf Hitler heisse.
Als Geburtsdatum gibt er den 1. September 1939 an. Das ist das Datum des deutschen Angriffs auf Polen und markiert den Beginn des Zweiten Weltkriegs.
In der Rubrik «Über mich» schreibt er: «Ich sterbe an Krebs. Viele sind nicht glücklich mit meinen Witzen über Gewalt und Krankheit.» Ist es der pubertäre Versuch, möglichst krass zu erscheinen? Fotos von sich veröffentlicht er nicht. Nur Bilder aus einem Militärmuseum, darauf zu sehen: Raketenwerfer, Helikopter, Kanonen.
Als Profilbild wählte Sascha die Fratze eines Horrortieres. Woher das Bild genau stammt ist unklar, es wurde aber schon vor Jahren als Meme-Vorlage verwendet.
«Sascha war wie immer»
Auch für die Freunde von Sascha I. ist die Beil-Attacke ein grosses Rätsel. Einer seiner Kumpel war mit dem Täter am Freitag noch im Ausgang in Flums SG: «Sascha war wie immer. Nichts deutete auf irgendeinen Ärger hin. Er war eh nicht der aggressive Typ, sondern eher still und überlegt.»
Der Lette kam erst vor wenigen Jahren in die Schweiz, trotzdem war er schon gut integriert. «Er sprach schon Mundart und konnte bei allen Dingen mitreden, auch seine Lehrstelle machte ihm Freude. Wir rätseln selber, was ihn am Sonntag zu dieser Wahnsinnstat bewogen hat. Irgendetwas muss Sonntag mit ihm passiert sein.»
Schon in der Schule wurde Sascha auffällig, aber sein Kollege relativiert: «Er hat da mal einen dummen Witz gemacht. Wir kannten ja seinen schwarzen Humor, aber bei der Schule bekam man das wohl in den falschen Hals.»
Dennoch: Laut seinem Kumpel musste der Lette keine Medikamente nehmen – war auch nicht in psychiatrischer Behandlung. «Davon weiss ich nichts. Auch Drogen oder so waren für Sascha nie ein Thema. Mal ein paar Bier, mehr nicht...»
«Fast nie ohne Bier gesehen»
Das klingt bei einem anderen Kollegen anders: «Er war immer wieder nachts alleine auf der Strasse unterwegs. Oft hat er dabei Bier getrunken, ich habe ihn fast nie ohne Bier gesehen», sagt ein Kollege. Er sei ein stiller Typ gewesen, der nie viel gesagt hat.
Kebab-Verkäufer Samuel Beshara (42) bestätigt: «Er ist ein ganz ruhiger Typ, still und intelligent.» Er kenne ihn gut, Sascha sei immer wieder bei bei ihm im Lokal gewesen. «Sascha hat nie Probleme gemacht, ich bin geschockt und hätte nie gedacht, dass er so etwas tun könnte. Ich glaube nicht, dass er Drogen nimmt.»
Nachbarn ahnten nichts
So krass er sich im Internet darstellte, so unauffällig blieb Sascha I. offenbar zuhause – die Nachbarn ahnten jedenfalls nicht, dass aus ihm ein Amokläufer werden sollte. «Er war stinknormal und hat immer gegrüsst», sagt eine Nachbarin zu BLICK. «Das darf doch nicht wahr sein», habe sie gedacht, als sie vom Amoklauf hörte.
Eine Nachbarin sagt: «Das sind so freundliche Leute da drüben.» Im Haus wohnte Sascha I., der mit bürgerlichem Namen Aleksandrs heisst, mit seiner Mutter und deren Ehemann. Sohn und Mutter zogen vor einigen Jahren nach Flums.
Ehepaar verletzt
Gestern Abend drehte Sascha I. durch. Angefangen haben die Minuten des Schreckens gestern Abend kurz nach 20 Uhr am Postplatz mitten im Dorf von Flums. Sascha I. geht mit einem Beil auf mehrere Personen los. Blutlachen zeigten noch Stunden nach der Tat, wie brutal der Teenager vorging. BLICK-Informationen zufolge hat ein Ehepaar versucht, Schlimmeres zu verhindern.
Die beiden kamen gerade aus den Ferien zurück und wollten spät abends noch einen Brief abschicken. Noch aus dem Auto heraus mussten sie zusehen, wie der Täter auch eine Frau mit Kinderwagen angreifen wollte.
BLICK traf den Sohn des Ehepaars am Sonntagabend. Völlig schockiert und aufgelöst erzählt er: «Sie gingen dazwischen und wollten ihn stoppen – wurden jedoch dabei verletzt.» Minuten zuvor musste er im Internet auf Videos eben diesen Moment ansehen: Es zeigt von weitem, wie eine Frau schreit und der Lette mit dem Auto davon rast.
Ein Kollege des Sohnes tröstet ihn: «Er darf stolz auf seine Eltern sein! Sie haben Zivilcourage bewiesen, auch wenn sie ihn nicht stoppen konnten.» Er sei froh, dass es noch Menschen gebe, die den Mut haben, einzugreifen.
Tatmotiv unklar
Nach den Attacken am Postplatz klaute Sascha I. ein Auto, fuhr davon und baute einen Unfall. Dann flüchtete er zu Fuss zur Agrola-Tankstelle bei der Autobahn. Dort ging er auf weitere Personen los.
Erst dort konnten Einsatzkräfte der Polizei den jungen Letten stellen. «Er war ausser Kontrolle», sagte Bruno Metzger, Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen. Vor der Festnahme fielen mehrere Schüsse. Sascha I. wurde schwer verletzt.
* Name der Redaktion bekannt
Wissen Sie mehr zu diesem Artikel? Dann melden Sie sich bei uns als Leserreporter per WhatsApp, Mail oder SMS!
Wissen Sie mehr zu diesem Artikel? Dann melden Sie sich bei uns als Leserreporter per WhatsApp, Mail oder SMS!