Gerichtspsychiater Thomas Knecht über den Beil-Amok Sascha I.
«Es war eine Entladung ungerichteter Aggression»

Der 17-Jährige Sascha I. lief gestern in Flums SG mit einem Beil Amok. Die Bluttat forderte acht Verletzte. Der Teenager war kurz zuvor wegen Gewaltfantasien in psychologischer Abklärung. Psychiater Thomas Knecht gibt eine erste Einschätzung.
Publiziert: 23.10.2017 um 16:05 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 22:07 Uhr
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Der 17-jährige Sascha I. lief am 22. Oktober 2017 in Flums Amok. Seine zuvor geäusserten Gewaltfantasien deuteten auf eine Gefährdung der Öffentlichkeit hin.
Foto: Zvg
Simona Boscardin

BLICK: Beim mutmasslichen Täter wurde eine Gewalteinschätzung gemacht. Dort kam man aber zum Schluss, dass er nicht gefährlich sei. Wie kann es sein, dass er kurze Zeit später acht Personen angreift? 
Thomas Knecht:
Die geäusserten Gewaltfantasien waren ein Indiz, dass sich etwas zusammenbraut. Trotzdem können Leute sehr diskret mit ihren Problemen umgehen. Der Fachausdruck dafür ist «Leaking». Das bedeutet, dass man mit gewissen Äusserungen den Gipfel eines Problems erhaschen kann. Seine wahre psychische Verfassung zeigt ein Täter jedoch nicht – bis die Gewalt ausbricht.

Der Amokläufer ist sehr jung.
Das ist überhaupt keine Seltenheit. Statistisch gesehen passieren solche Gewalttaten bei Männern am häufigsten im Alter von 17 und 18 Jahren. Denn in dieser Lebensphase steht die Aggressionsbereitschaft in einem ungünstigen Verhältnis zur Selbstkontrolle.

Aus welchem Grund?
In diesem Alter suchen junge Leute ihre Position in der Gesellschaft. Bei Personen, die zu Gewalt greifen, sieht man häufig, dass sie sich in der Hierarchie unter ihrem Wert geschlagen fühlen. Dies führt zu einer Isolation, wobei sie sich dem gesellschaftlichen Wettbewerb mit den Gleichaltrigen entziehen und sich mit anderen Sachen wie Waffen und Ego-Shooter-Spielen beschäftigen.

Was könnte der Täter für ein Motiv gehabt haben? 
Ich denke nicht, dass die Tat eine Abrechnungsaktion war, wie wir es von modernen «Amokläufern» kennen. Die Tat war eine natürliche Entladung einer ungerichteten Aggression – sie hat jene getroffen, die gerade zur falschen Zeit am falschen Ort waren.

Auf seinem V-Kontakte-Profil schreibt der Täter unter anderem, sein Grossvater sei Adolf Hitler und sein Lieblingsbuch dessen «Mein Kampf». Seine Arbeitsstelle beschreibt er als «Kinderschlachterei». Was hat das zu bedeuten? 
Das sind verstiegene Fantasien, die den Stellenwert seiner eigenen Persönlichkeit kompensieren sollen. Mit dieser Provokation dürfte er auf sich und seine Probleme aufmerksam machen. Auch hierbei kann man von «Leaking» sprechen.

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