Nach dem Drama von Baden AG, bei dem der Zugbegleiter Bruno R. (†54) qualvoll zu Tode geschleift wurde, hat die Sust nun einen Zwischenbericht veröffentlicht. Mit dem Ergebnis: Der Einklemmschutz versagte.
Insgesamt stellte die Sust drei Sicherheitsmängel fest. Gleich zwei davon betreffen den Einklemmschutz. Der dritte betrifft das System, mit dem der Lokführer über den geschlossenen Zustand der Türen informiert wird.
Wie der Zwischenbericht festhält, gab es beim sogenannten Druckwellenschalter der betreffenden Türe eine lose Schraube. Die lose Verbindung hatte zur Folge, dass die Schliesskraft der Türe nicht abgebaut wurde, wenn sie auf ein Hindernis traf. «Der Einklemmschutz war somit nicht wirksam», heisst es im Bericht.
Philippe Thürler, stellvertretender Bereichsleiter Bahnen und Schiffe bei der Sust, geht mit den SBB hart ins Gericht: «Lose Schrauben anzuziehen gehört zum Standard.» Deshalb habe die Sust wegen des Problems mit dem Druckwellenschalter auch keine Sicherheitsempfehlung herausgegeben, wie Thürler auf Anfrage von BLICK erklärt.
Problematischer Sensor
Systembedingt muss ausserdem der Einklemmschutz ausgeschaltet werden, kurz bevor die Tür komplett schliesst. Dies, weil sich die Tür sonst beim Auftreffen auf den Rahmen wieder öffnen würde. Die Ausschaltung des Einklemmschutzes sollte bei 98 Prozent des Schliessvorgangs erfolgen. Konkret bedeutet dies laut Thürler, dass der Sensor den Einklemmschutz erst dann ausschalten sollte, wenn der noch geöffnete Spalt 30 Millimeter oder weniger breit ist. Bei der entsprechenden Vorrichtung machte die Sust den zweiten Sicherheitsmangel aus: Gemäss der Untersuchung spricht der Sensor nämlich nicht immer an der gleichen Position an. Dies bedeutet, dass der Einklemmschutz möglicherweise bereits vor Abschluss von 98 Prozent des Schliessvorgangs abgeschaltet wird. So kann ein Gegenstand eingeklemmt werden, ohne dass ein Druckabbau erfolgt.
Bei der Vorrichtung, über welche der Zugführer über den geschlossenen Zustand der Türen informiert wird, kritisiert die Sust eine Parallelschaltung von zwei sogenannten Endschaltern. Das System kann gemäss Sust dazu führen, dass dem Lokführer eine falsche Information über den Schliesszustand der Türen angezeigt wird.
Ob auch menschliches Versagen eine der Unfallursachen war, darauf geht der Zwischenbericht nicht ein. Thürler: «Die Sust hat sich dabei auf den technischen Aspekt beschränkt. Die kompletten Zusammenhänge werden erst im Schlussbericht beleuchtet.»
Kollegen klagten seit langem über defekte Türen
Die Abfertigung des Zuges am Unglückstag erfolgte auf Gleis 2 im Bahnhof Baden. Nachdem der Fahrgastwechsel abgeschlossen war, erteilte der Zugchef per SMS den Abfahrbefehl an den Lokführer. Mit dem Vierkantschlüssel betätigte er an der Türe 4 des fünftletzten Wagens den UIC-Schliessbefehl für die Türen am Zug.
Um den Schliessvorgang zu überwachen, bleibt die Türe, bei der der Befehl erfolgt, offen. Diese Türe muss durch Drücken eines separaten Tasters nachträglich vom Zugchef geschlossen werden. Der 54-Jährige wurde während des Türschliessungsprozesses durch die Türe 4 eingeklemmt. Und das mit katastrophalen Folgen: Bruno R. wurde zu Tode geschleift.
Das Schicksal von Bruno R. löste Trauer und Fassungslosigkeit bei seinen Kollegen aus. Aber auch jede Menge Wut und Empörung auf die SBB. Denn bereits vor R.s Tod machten die Zugtüren Probleme. Sie klemmten Zugbegleiter ein, verletzten sie an Armen, Beinen und Rücken. Auch Pendler wurden eingeklemmt und verletzt.
SBB überprüfen die Wagen – fünf defekte Türen entdeckt
Das Problem des defekten Einklemmschutzes ist also nicht neu. Und doch reagierten die SBB erst nach dem Unfall. Nach dem Tod ihres Zugchefs Bruno R. verkündeten die SBB, dass eine Taskforce eingerichtet wurde, die nun Sofortmassnahmen angeordnet hat. Darunter eine Inspektion aller 493 EW-IV-Wagen. Das ist jener Wagentyp, der Bruno R. das Leben kostete. Sieben Wochen lang werden die Türen samt Sicherheitselementen genau unter die Lupe genommen.
Bis jetzt wurden rund zwei Drittel aller Wagen kontrolliert. Bereits zu Beginn der Massnahme wurden fünf defekte Türen entdeckt. Türen, die bislang nicht im System als solche gemeldet waren. Und nicht nur das: Der Einklemmschutz reagiere nicht so sensibel wie gedacht.
Die SBB beteuern, dass die Mängel behoben werden. Heisst: Die EW-IV-Wagen werden nach den Kontrollen wieder durch die Schweiz rollen. In einer Mitteilung vom Donnerstag schreibt das Unternehmen: «Gemäss jetzigem Wissensstand und der Sicherheitseinschätzung der SBB ist es nicht nötig, die EW-IV-Wagen ausser Betrieb zu nehmen. Die Sofortmassnahmen gewährleisten die Sicherheit von Reisenden und Mitarbeitenden.» (jmh/noo)