Auch die Schweiz verdiente Geld mit Sklaven
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Unsere koloniale Vergangenheit:Auch die Schweiz verdiente Geld mit Sklaven

Historiker zum Schweizer Sklavenhandel
«Es braucht eine Wiedergutmachung»

Der St. Galler Historiker Hans Fässler über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der Sklaverei und warum dieses dunkle Kapitel für die Schweiz noch nicht abgeschlossen ist.
Publiziert: 21.06.2020 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 21.06.2020 um 17:15 Uhr
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«Lediglich die Mitbeteiligung unserer Vorfahren anzuerkennen reicht nicht. Das jahrhundertelange Menschheitsverbrechen der Sklaverei verlangt neben Anerkennung auch nach ideeller und materieller Wiedergutmachung», sagt der St. Galler Historiker Hans Fässler.
Foto: Nathalie Taiana
Interview: Sven Zaugg

Seit 20 Jahren beschäftigt sich der St. Galler Hans Fässler (66) mit der Schweizer Verstrickung in den internationalen Sklavenhandel. Es brauche eine Wiedergutmachung, sagt der Historiker.

BLICK: Warum tut sich die Schweiz so schwer, sich mit ihrer kolonialen Vergangenheit auseinander­zusetzen?
Hans Fässler: Ich antworte mit ­einer Gegenfrage: Was konnte ein kleines, alpines Binnenland schon mit der Deportation von Tausenden von Schwarzafrikanern zu tun haben? Lange Zeit entsprach die Involvierung von Schweizer ­Familien und Unternehmern in die Sklaverei nicht unserem Verständnis der bäuerlichen Alpennation. Wir wollten nicht wahrhaben, dass Schweizer Akteure sich auf jede mögliche Weise an diesem Ver­brechen beteiligten.

Ist die Erkenntnis, dass Schweizer Akteure bei der Sklaverei ganz vorne mitmischten, in der Mitte der Gesellschaft angekommen?
Man kann sagen, dass das Thema seit den Nullerjahren diskutiert wird und längst Einzug in die wissenschaftliche Forschung gefunden hat. Das ist ein Fortschritt. Auch der Bundesrat anerkannte schon 2003, dass Schweizer Bürger mehr oder weniger stark an der transatlantischen Sklavereiwirtschaft beteiligt waren. Diese An­erkennung ist von grosser Bedeutung für die Erinnerungskultur. Durch die Bewegung, die der Mord an George Floyd ausgelöst hat, erreicht die Debatte nun eine Breite, die ich bisher für unmöglich ge­halten hätte.

Reicht das? Schliesslich sprechen wir von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Nein. Lediglich die Mitbeteiligung unserer Vorfahren anzuerkennen reicht nicht. Das jahrhunderte­lange Menschheitsverbrechen der Sklaverei verlangt neben Anerkennung auch nach ideeller und materieller Wiedergutmachung. Nicht zuletzt, weil die Folgen der Sklaverei bis heute sichtbar sind.

Persönlich: Hans Fässler

Der St. Galler Historiker Hans Fässler (66) beleuchtete bereits in seinem 2005 erschienenen Buch mit dem Titel «Reise in Schwarz-Weiss» die Bedeutung des Sklavenhandels für die Schweiz und ihre wirtschaftliche Entwicklung. Im November 2019 gründete er das Swiss Committee on Reparations for Slavery (Scores), das sich für eine Wiedergutmachung der Sklaverei einsetzt.

Der St. Galler Historiker Hans Fässler (66) beleuchtete bereits in seinem 2005 erschienenen Buch mit dem Titel «Reise in Schwarz-Weiss» die Bedeutung des Sklavenhandels für die Schweiz und ihre wirtschaftliche Entwicklung. Im November 2019 gründete er das Swiss Committee on Reparations for Slavery (Scores), das sich für eine Wiedergutmachung der Sklaverei einsetzt.

Inwiefern?
In manchen Ländern der Karibik konnte sich zum Beispiel bis heute keine Zivilgesellschaft mit soliden Familienstrukturen und funktionierenden Bildungsinstitutionen herausbilden, wie wir sie in der Schweiz kennen. Ganz abgesehen von einem Staatswesen, das diesen Namen auch verdient.

An welche Länder denken Sie?
Haiti ist ein gutes Beispiel. Vor dem Sklavenaufstand von 1791 bis 1803 war das Land, das zu Frankreich gehörte und damals noch Saint-Domingue hiess, die profi­tabelste Plantagenwirtschaft der Welt. Hunderttausende afrikanische Sklavinnen und Sklaven wurden nach Saint-Domingue deportiert. 300 Jahre Sklaverei und 100 Jahre französische Kolonialherrschaft hinterliessen eine zerstörte Gesellschaft. Bis heute ist Haiti ein instabiles Land, das keine tragende Mittelschicht kennt. Die heutige Armut und die Krisen in Ländern wie Haiti – aber auch in der afroamerikanischen Bevöl­kerung der USA – lassen sich ohne ihre Sklavenvergangenheit nicht verstehen.

Sie fordern materielle Wiedergutmachung. Wie soll diese genau aussehen?
Das ist eine schwierige Frage. Es geht nicht darum, gleich einen entsprechenden Betrag auszurechnen, der dann den Nach­kommen von Sklaven überwiesen werden soll. Ein besserer Ansatz wäre, die Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern, die bis heute unter den strukturellen Folgen der Sklaverei leiden, deutlich auszubauen.

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