Es war ein böses Erwachen. Zwei deutsche Touristen wurden am Mittwochmorgen durch riesige Wassermassen aus dem Schlaf gerissen. Sie übernachteten in einem VW-Bus, den sie nahe dem Hüscherenbach bei Splügen GR geparkt hatten. Durch den Dauerregen verwandelte sich der Bach über Nacht in einen reissenden Fluss, was den beiden zum Verhängnis wurde (BLICK berichtete).
«Die Wassermassen nagten am Parkplatz, bis der Rand ganz weggefressen war», sagt Kantonspolizei-Sprecher Roman Rüegg zu BLICK. Gerade noch rechtzeitig konnten sich die Deutschen aus dem VW-Bus retten, bevor dieser wenig später von den Fluten mitgerissen wurde.
«Das Wasser war eiskalt und wir waren Barfuss»
«Ich habe im Schlaf eine Bewegung des Fahrzeugs wahrgenommen und bin aufgewacht. Stark strömendes Wasser floss an uns vorbei und ich sah, dass wir an der Kante des Parkplatzes standen. Ich war geschockt!» sagt Jonas* (27) zu BLICK. Er weckt seinen Cousin Philipp* (26) auf. Dieser springt auf, setzt sich auf den Fahrersitz und versucht, die Zündung des Wagens zu starten.
Dann passiert es: Der Wagen rutscht rückwärts in den Fluss und wird von der Strömung mitgerissen. «Wir blickten uns an und wussten: Jetzt ist es ernst!» Nach einer halben Drehung im Wasser stoppt der Bus an einem Stein. Philipp und Jonas lassen die Fenster des Fahrzeuges herunter und alarmieren den Notruf. «Wir wussten nicht, wo wir genau geparkt hatten», so Jonas.
Sie wollten zum Klettern ins Tessin
Die beiden Abenteurer waren auf dem Weg ins Tessin und wollten dort klettern gehen. Wegen des Gewitters entschieden sie sich mitten in der Nacht auf dem öffentlichen Bergbahnparkplatz in Splügen zu übernachten. «Wir hatten den Bach bemerkt und parkten unser Auto mehrere Meter davon entfernt. Nicht im Traum hätten wir daran gedacht, dass der starke Regen uns den Boden unter den Füssen wegreissen würde.»
Wegen der starken Strömung ist es zu gefährlich, im Bus zu bleiben, und auf die Retter zu warten. Durch die Beifahrertür des Wagens gelangen sie ins Freie zu drei Felsbrocken. Aber es ist unmöglich, selbstständig an das Ufer zu gelangen. Deshalb bleiben sie, wo sie sind. «Das Wasser war eiskalt und wir waren barfuss. Damit wir und gegenseitig etwas wärmen konnten, setzten wir uns nah aneinander.»
«Wir hatten einen Riesen-Glücksengel»
Auf einer nahe gelegenen Strasse fährt plötzlich ein Auto vorbei. Trotz Hilferufen bemerkt der Fahrer die beiden Deutschen in ihrer Notlage nicht und fährt weiter. Kurz danach nähert sich ein zweites Auto. Der aufmerksame Fahrer hält an, winkt den beiden Deutschen zu und fängt an zu telefonieren. «Dann wussten wir, früher oder später werden uns die Rettungskräfte tatsächlich finden!»
Rund eine Stunde nach dem Notruf startet schliesslich die Rettung. Die Einsatzkräfte spannen ein Seil und organisieren einen Kran. «Zwei Retter wurden mit Gurten am Kran befestigt und zu uns herübergeschwenkt. Ich ergriff das Bein des einen Retters, um ihn zu uns zu ziehen. So konnten wir schliesslich an das sichere Ufer gezogen werden», so die Deutschen. Im Krankenwagen werden sie medizinisch versorgt. Sie seien unterkühlt gewesen. Die Körpertemperatur von Philipp sei auf 33 Grad gesunken, diese von Jonas auf 35 Grad.
«Wir hatten einen Riesen-Glücksengel»
«Wir sind mit einigen Schürfwunden und einem Schock davongekommen. Wir sind allen Personen, die an unserer Rettung beteiligt waren, unglaublich dankbar. Wir sind beeindruckt, wie schnell und organisiert unsere Bergung vonstattenging. Die Einsatzkräfte haben sehr professionell und selbstlos reagiert – vor allem die beiden unerschrockenen Retter, die uns mit dem Kran aus den Fluten gerettet haben.»
Jonas und Philipp sind erleichtert: «Die Gefahr in der wir uns befanden, wurde uns erst später richtig bewusst, als wir die Bilder sahen. Wir hatten einen Riesen-Glücksengel!» (frk)
*Namen der Redaktion bekannt