Als die Corona-Krise Mitte März ihren bisherigen Höhepunkt erreicht, müssen die Menschen in ganz Europa in ihren Häusern bleiben. In Frankreich, Spanien und Italien werden Ausgangssperren eingeführt, um die Verbreitung des Virus zu verhindern. Auch die Waadtländer Regierungspräsidentin Nuria Gorrite (50) spricht sich dafür aus, sagt am Fernsehen: «Wir müssen entscheiden, ob wir die Menschen in den Tod oder in die Arbeitslosigkeit schicken.»
Der Bundesrat entscheidet anders. Statt einer Ausgangssperre verkündet er am 20. März den «Lockdown light». Gruppen dürfen nicht grösser als fünf Personen sein, Abstandsregeln müssen eingehalten werden. Bundesrat Alain Berset sagt: «Es ist nicht die Ausgangssperre, die uns schützt, sondern unser Verhalten.» Wer sich nicht an die Regeln hält, wird mit 100 Franken gebüsst.
BLICK-Recherchen zeigen nun: 20'000 Mal pfiffen Corona-Sünder auf Bersets Warnung und wurden dabei erwischt! Mehr als zwei Millionen Franken nahmen 20 Kantone mit Corona-Bussen ein, die restlichen sechs geben keine Auskunft. Einige Unbelehrbare seien auch mehrfach gebüsst worden, teilen einige Kantone BLICK mit.
Westschweiz büsste stärker, auch Aargau vorne dabei
Auffällig ist: In der Westschweiz werden Corona-Sünder häufiger zur Kasse gebeten. Mit Abstand Spitzenreiter ist ausgerechnet der Kanton Waadt, der über 4000 Bussen aussprechen musste. Hat Nuria Gorrite den Polizisten Beine gemacht? Auf Anfrage lässt der Kanton ausrichten, man habe auf Abschreckung durch eine erhöhte Polizeipräsenz und repressives Vorgehen gesetzt. Einige der Bussen dürften zudem auch bei mehreren sogenannten «wilden Fussballspielen» ausgesprochen worden sein, die sehr viele Zuschauer anlockten.
In der Deutschschweiz sticht der Aargau ins Auge, der nicht einmal halb so viele Einwohner wie der Nachbarkanton Zürich hat, aber mehr als doppelt so viele Bussen aussprach. Die Diskrepanz könne man sich nicht erklären, heisst es auf Anfrage, man habe die Kontrollen stets mit «Augenmass und unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit» durchgeführt.
Umstrittene Bussen und Strafanzeigen
Nebst den Ordnungsbussen wurden auch Tausende Corona-Fälle an die Staatsanwaltschaften weitergegeben. Beispielsweise weil die Gebüssten nicht zahlen wollten oder weil ein gewerbsmässiger Verstoss gegen Corona-Gesetze vermutet wurde. Wie im Fall des österreichischen Wirts Florian Dullnig (59), der 7000 Franken zahlen musste, weil er vor seinem Take-away-Stand in St. Margrethen SG illegal Kunden bedient haben soll. Oder wie bei Darasavanh F.* (50), die mit 8000 Franken zur Rechenschaft gezogen wurde, weil in ihrem Bordell in Rheineck SG trotz Verbot weiterhin Freier empfangen wurden.
* Name geändert