Ein junger Autist ist wegen der Tötung seines Bruders vom Kriminalgericht Yverdon VD zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Zudem ordneten die Richter eine stationäre Behandlung für den Mann an.
Der Autist, dessen Alltag von Videospielen geprägt war, hatte nach Ansicht der Justiz und seiner Eltern 2020 während des Lockdown in der Corona-Pandemie den Boden unter den Füssen verloren. Er konnte demnach nicht mehr zwischen Fiktion und Realität unterscheiden. Er erschlug seinen ebenfalls autistischen jüngeren Bruder in einem Wald mit einer Axt.
Die Richter folgten in allen Punkten der Anklage der Staatsanwaltschaft, gegen die die Anwälte der Eltern und des Angeklagten keine Einwände erhoben hatten, wie Staatsanwältin Laurence Brenlla am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage sagte.
Alle seien sich einig gewesen, dass die Strafe «relativ unbedeutend» sei, dass es aber vor allem darum gehe, einen angemessenen Rahmen für den seit vier Jahren in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten zu schaffen.
Lockdown warf jungen Mann aus der Bahn
Die Justiz habe in diesem Fall nach einer Lösung gesucht, um einerseits ihre repressive und sicherheitspolitische Rolle zu erfüllen und andererseits den Zivilparteien Gehör zu schenken und so weit wie möglich eine angemessene Betreuung des Täters zu ermöglichen, damit dieser Zukunftsperspektiven habe, sagte die Staatsanwältin.
Der Anwalt der Eltern, Gilles Monnier, erklärte, dass seine Mandanten ein Urteil «zur Kenntnis nehmen», das «dem entspricht, was erwartet wurde». Die Eltern möchten nun, dass ihr Sohn «von einer angemessenen Struktur und Betreuung profitieren kann», fügte er hinzu.
Wie seine Eltern, die Staatsanwältin und die Anwälte berichteten, war der autistische junge Mann durch den Lockdown aus der Bahn geworfen worden. Seiner täglichen Aktivitäten beraubt, habe er alle Stützen verloren, die es ihm ermöglicht hatten, mit seiner Behinderung zu leben.
Es habe sich eine innere Anspannung aufgebaut, die schliesslich an dem Tag, an dem er seinen Bruder tötete, explodiert sei, da es keine Möglichkeit gegeben habe, diese abzubauen.
«Ich hatte den Teufel im Kopf»
An jenem Nachmittag im April 2020 hatte er seinen jüngeren, ebenfalls autistischen Bruder in einen Wald gelockt. Dort erschlug er ihn mit einer Axt und setzte seinen Körper in Brand.
Während des Prozesses hatten die beiden Anwälte auch darauf hingewiesen, dass der junge Mann, der während der Pandemie arbeitslos war, sich in einem «Überkonsum» von Bildschirmen verloren hatte. Durch das Anschauen von Superheldenserien und gewalttätigen Videospielen hatte er ein Stadium erreicht, in dem er nicht mehr zwischen Fiktion und Realität unterscheiden konnte.
Mit ähnlichen Worten beschrieb auch der Angeklagte seinen damaligen psychischen Zustand beschrieben. «Ich wollte meinen Bruder nie töten. Ich wurde einer Gehirnwäsche unterzogen, ich hatte den Teufel in meinem Kopf», hatte er zum Abschluss der Verhandlung in der vergangenen Woche erklärt.