Sust am Anschlag – Probleme mit Drohnen und alten Flugzeugen
Immer mehr Beinahe-Crashs am Himmel

Die Zahl der gemeldeten Flugzwischenfälle in der Schweiz ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle ist am Anschlag. Ist die Sicherheit der Luftfahrt in Gefahr?
Publiziert: 06.10.2024 um 09:04 Uhr
|
Aktualisiert: 07.10.2024 um 10:06 Uhr
1/5
Im Mai 2019 stürzt eine Postdrohne in Zürich ab, nur wenige Meter entfernt von spielenden Kindern. Grund war technisches Versagen.
Foto: Sust

Auf einen Blick

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
Mitarbeiterfoto_06.jpeg
Lisa AeschlimannReporterin & Blattmacherin

Von Unfällen bei Starts und Landungen, Beinahe-Crashs in der Luft bis hin zu Flugzeugabstürzen: Der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) sind im letzten Jahr 2128 Zwischenfälle gemeldet worden – gegenüber 2015 (1556) ist das ein Anstieg um fast 40 Prozent. Das geht aus dem neusten Jahresbericht hervor.

«Die vielen Meldungen haben den Untersuchungsdienst einmal mehr stark gefordert», schreibt Präsident Pieter Zeilstra.

Der grösste Teil der Meldungen entfällt auf die Luftfahrt. Gemäss Bericht hat sich die Zahl der Zwischenfälle in den letzten Jahren «auf einem sehr hohen Niveau eingependelt». 1803 Meldungen in 2023 – das sind fast doppelt so viele wie der Durchschnitt vor 2015 – dies, obwohl die Anzahl tödlicher Unfälle in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat.

Kritisches Software-Versagen bei Drohnen

Die Sust leitet bei schweren Vorfällen jeweils eine Untersuchung ein – nicht selten zeigen sich bei der Aufarbeitung gefährliche Sicherheitslücken. Beispielsweise bei Drohnen. Gleich mehrere Sicherheitsempfehlungen beziehen sich auf diese.

Am 9. Mai 2019 beispielsweise kam es zu einem schweren Vorfall mit einer Postdrohne, die vom Irchel aus Blutproben ans Unispital geliefert hatte. Auf dem Rückweg löste die amerikanische Drohne nur eine Minute nach dem Start automatisch das Flugbeendigungssystem aus und wollte eine kontrollierte Notlandung einsetzen. Doch als der Fallschirm ausgelöst wurde, riss die Verbindungsschnur – und die Drohne prallte mit voller Wucht und nur wenige Meter entfernt von spielenden Kindern auf den Waldboden.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Grund für den Absturz war ein technisches Versagen – ein Bug in der Software. Ein weiteres Risiko sei, dass flugkritische Parameter wie die Umgebungstemperatur oder Luftfeuchtigkeit von der Software ignoriert würden – obwohl diese verhindern sollte, dass Drohnen bei schlechtem Wetter überhaupt starten können. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt muss nun sicherstellen, dass die Hersteller ihre Systeme überarbeiten und strengere Kontrollen der Sicherheitshinweise durchführen. Auch ältere Flugzeuge machen der Sust zu schaffen.

Häufung von Beinahe-Crashs

Beunruhigend für die Sust ist zudem, dass es in den vergangenen Jahren zunehmend zu Beinahe-Crashs kam. Vor allem in der Nähe von Flugplätzen sind die Fälle stark angestiegen. Am 18. Dezember 2020 beispielsweise kamen sich ein Bombardier Challenger 850 und ein Motorflugzeug oberhalb des Flughafens Sitten gefährlich nahe. Nur weil der Bombardier rechtzeitig stieg, wurde die drohende Kollision verhindert. Der vertikale Abstand zwischen den Flugzeugen betrug letztlich nur etwa 30 Meter.

Gemäss Sust gab es in Sitten in den letzten Jahren eine Häufung solcher gefährlichen Annäherungen. Die Flugsicherung erkannte das Gebiet als «Hotspot». Die Fachgruppe appelliert an die Pilotinnen und Piloten, aufmerksamer zu sein und bei Starts und Landungen lieber einmal mehr den Platzverkehrsleiter zu kontaktieren.

Personelle Engpässe bei der Sust

Doch die Sust erkennt längst nicht alle Probleme in der Luft. Nur vier Prozent aller Vorfälle kann sie in der gesetzlichen Frist überhaupt aufklären. Trotz der hohen Zahl an Meldungen wurden nur 24 Untersuchungen eingeleitet – deutlich weniger als die vergangenen Jahre. In zehn Fällen wurde gar die Untersuchung ganz eingestellt, bevor überhaupt genauer hingeschaut wurde – «um einen effektiven Einsatz der Mittel» zu erfüllen.

Grund für die Verzögerungen sind neben Personalprobleme auch aufwändigere Abklärungen. Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats kritisierte diese Situation und forderte mehr Personal.

Die Sust gibt an, dass es noch zwei bis drei Jahre dauern wird, bis der Rückstau abgearbeitet ist. Gerade in Bereich Aviatik dürfte es «noch einige Zeit dauern, bis von einer normalen Belastungssituation gesprochen werden darf».

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?