Die SVP ist sauer. Und wie! Anlass für die Wut ist ausgerechnet ihr eigener Bundesrat Guy Parmelin (60). Der Wirtschaftsminister falle der Partei immer wieder in den Rücken – so empfinden es jedenfalls viele SVPler.
Das Fass zum Überlaufen gebracht hat ein Interview mit der «NZZ am Sonntag» vor rund drei Wochen. Darin äusserte sich Parmelin deutsch und deutlich gegen die Kündigungs-Initiative, die im September an die Urne kommt. Der SVP-Bundesrat nannte das Volksbegehren «eine Gefahr für unseren Standort».
Mit der Initiative will die SVP die Personenfreizügigkeit mit der EU aufkündigen. Schon seit Jahren arbeitet sie auf dieses Ziel hin. Für die Partei ist es die wichtigste Vorlage seit Jahren – und ausgerechnet die torpediere Parmelin jetzt.
«Sündenfall par excellence»
Namentlich will sich niemand zitieren lassen – auf keinen Fall will die Partei vor der Abstimmung einen zerstrittenen Eindruck machen. Und so die Chancen der Initiative schmälern. Doch unter dem Deckel ist die Stimmung ziemlich am Kochen.
«Das kotzt mich an. Das geht einfach nicht», entfährt es einem Parlamentarier am Rande der Sommersession. Ein anderer spricht von einem «Sündenfall par excellence». Niemand verstehe, was Parmelin da geritten habe.
Mitglieder der Parteispitze haben sich Parmelin unter vier Augen zur Brust genommen. Darunter auch Parteipräsident Albert Rösti (52), wie er im BLICK-Interview sagte: «Ich habe ihm gegenüber auch meine Enttäuschung über seine Aussagen ausgedrückt.»
«Keiner, der hart auf Parteilinie ist»
Der Knatsch legt schonungslos offen, dass es nie Liebe war zwischen der grössten Schweizer Partei und ihrem ersten welschen Bundesrat. «Schon im Nationalrat war er kein Reisser», sagt ein ehemaliger Fraktionskollege. «Nie wirklich auf Parteilinie», ergänzt ein zweiter.
Als Romand sei Parmelin in vielen Themen eher gemässigt – gerade deswegen hat ihn das Parlament 2015 auch gewählt – und nicht etwa den heutigen Fraktionschef Thomas Aeschi (41) oder den Tessiner Regierungsrat Norman Gobbi (43).
«Unser Wunschkandidat war er aber sicher nicht», sagen mehrere SVPler hinter vorgehaltener Hand. «Wir haben ihn nur nominiert, um eine möglichst breite Palette anbieten zu können.» Allenfalls, so damals die Hoffnung, könnte Parmelin für neue SVP-Wähler in der Romandie sorgen.
SVP startet Retourkutschen
Doch diese Hoffnung hat sich mittlerweile zerschlagen. Bei den eidgenössischen Wahlen verlor die SVP in der Westschweiz noch deutlicher als sonst. Was bleibt, ist Enttäuschung. Die Beziehung zwischen Parmelin und seiner Partei ist auf einem Tiefpunkt angelangt.
Was die SVP ihren Bundesrat deutlich spüren lässt. In unüblich scharfem Ton zerriss sie in den vergangenen Wochen gleich mehrere seiner Vorlagen in der Luft. Die beantragten gut sechs Milliarden für das EU-Forschungsprogramm Horizon wies sie als verantwortungslose Fantasien zurück – obwohl die Schweizer Forschungslandschaft davon profitiert. Aber gut, da hat es ja das Wort EU drin.
Doch selbst von der Agrarreform des ehemaligen Weinbauern will die SVP nichts wissen – und fordert, dass Parmelin über die Bücher muss. «Man kann den harten Widerstand gegen die Vorlagen natürlich schon als Retourkutschen betrachten», räumt ein SVP-Parlamentarier ein.
Mörgeli wärmt sich schon mal auf
Noch wackelt der Stuhl von Parmelin nicht – zumal ihn niemand abwählen oder zum Rücktritt zwingen kann. «Wenn er sich ab sofort im Abstimmungskampf zurückhält, werden sich die Wogen irgendwann wieder glätten», sagt ein SVPler. «Schiesst er aber weiterhin gegen die Begrenzungs-Initiative, wird es ungemütlich für ihn.»
Was Parmelin dann droht, lässt sich in der letzten «Weltwoche» nachlesen. Dort wärmt sich der alt Nationalrat und Blocher-Vertraute Christoph Mörgeli (59) schon mal auf. Er wirft Parmelin vor, die Partei belogen zu haben. «Hätte sich Guy Parmelin 2015 für die Personenfreizügigkeit ausgesprochen, hätte er es nicht aufs bundesrätliche Dreierticket geschafft.» Da brechen harte Zeiten an für den ersten welschen SVP-Bundesrat.