Lange sah es danach aus, als müsse sie zittern. Doch dann sorgte Magdalena Martullo-Blocher (50) am Wahlsonntag für die grosse Überraschung: Die Chefin der Ems-Chemie und Tochter von SVP-Übervater Christoph Blocher (79) holte am meisten Stimmen von allen Bündner Kandidierenden und schaffte die Wiederwahl in den Nationalrat locker!
Nach dem Glanzresultat stellt sich die Frage: Wer im Bergkanton wählte die Unternehmerin von der Zürcher Goldküste? Ein Blick auf die abgegebenen Stimmen zeigt: Martullo-Blocher hat ihre Wahl fast ausschliesslich SVP-Wählern zu verdanken. Diese warfen die «Liste Martullo» ein und schrieben den Namen der Ems-Chemie-Chefin gleich doppelt auf.
Brand hatte das Nachsehen
Ein schwarzer Tag war es hingegen für Parteikollege Heinz Brand (64). Er muss seinen Sitz abgeben – und das ausgerechnet an SP-Frau Sandra Locher Benguerel (44). Auch, weil der langjährige Parteipräsident von SVP-Wählern teilweise ignoriert wurde. Brand holte parteiintern gut 5000 Stimmen weniger als Martullo.
Liess die Basis ihn für Martullo fallen? Sicher nicht, sagt Roman Hug (39), Vizepräsident der SVP Graubünden. «Heinz Brand wird von unserer Basis überhaupt nicht infrage gestellt. Er ist im Gegenteil breit getragen.»
Doch woran lag es dann, dass sein Präsident die Wiederwahl nicht schaffte, Martullo-Blocher hingegen schon? «Die mediale Aufmerksamkeit bezüglich offener Wiederwahl richtete sich vor allem auf Frau Martullo», meint Hug. «Das hatte einen Mobilisierungseffekt.»
Auffällig ebenfalls: Beiden SVP-Grössen ist es nicht gelungen, ausserhalb der SVP-Wählerschaft zu mobilisieren. Sympathieträger in den Bündner Bergtälern ist ein anderer: CVP-Nationalrat Martin Candinas (39) holte alleine mehr Stimmen ausserhalb seiner Partei als Martullo-Blocher und Brand zusammen.
«Wir gewannen entgegen dem nationalen Trend»
Martullo-Blocher ist damit nicht einverstanden: «Die Behauptung des BLICK, ich hätte bei meiner Wiederwahl in den Nationalrat am 20. Oktober 2019 ‹kaum Stimmen von anderen Parteien› erhalten ist falsch», lässt sie ausrichten. «Richtig ist, dass ich mehr als 20 Prozent meiner Stimmen von Wählern ausserhalb der SVP erhielt. Meine Liste und die SVP Graubünden gewannen entgegen dem nationalen Trend nochmals neue Wähler dazu.»
Martullo-Blocher erhielt 5143 Stimmen von anderen Listen – bei Candinas waren es 11'465. Dieser gewinnt den Titel des «Panaschierkönigs» damit bereits zum zweiten Mal in Folge. Wenig verwunderlich für einen Mittepolitiker.
Aber: Auch SP-Mann Jon Pult (35) – 6626 Panaschierstimmen – und sogar der abgewählte BDP-Nationalrat Duri Campell (56) erhielten mehr Panaschierstimmen als Martullo-Blocher.
Aufwendiger Wahlkampf, grosszügige Spenderin
Das, obwohl Martullo-Blocher einen aufwändigen Wahlkampf machte. Kaum ein Alpabzug, eine Chilbi oder ein Dorffest, an dem sie nicht auftrat. Und sie zeigte sich grosszügig. Im Juni öffnete sie die Tore der Ems-Chemie zu einem grossen Volksfest – Getränke, Würste und Glaces wurden offeriert. Auch verschiedene Musikvereine haben einen Zustupf von 2000 Franken aus dem Spendentopf der Ems-Chemie erhalten.
Freigiebig zeigte sich Martullo-Blocher auch gegenüber der Kirche – obwohl sie in diesem Sommer aus der reformierten Kirche ausgetreten ist. So machte sie der katholischen Pfarrkirche Sogn Gion in Domat/Ems ein grosses Geschenk. «Frau Martullo-Blocher hat uns dieses Jahr netterweise 90'000 Franken für die Restaurierung des Altars bezahlt», sagt Kirchenvögtin Renata Bucher. Vor vier Jahren spendete sie im Namen der Ems-Chemie bereits 110'000 Franken an die Restaurierung der Klosterkirche Disentis.