Foto: Keystone/Anthony Anex

Über 20 Jahre Ständerat sind für den Tessiner Filippo Lombardi (63) nicht genug
Der Weltenbummler will nochmals

Filippo Lombardi ist seit über 20 Jahren Ständerat für den Kanton Tessin. Trotzdem tritt er im Herbst nochmals an – auch weil dort in diesem Jahr ein uraltes, ungeschriebenes Gesetz nicht mehr gilt.
Publiziert: 01.10.2019 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2019 um 11:22 Uhr
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Filippo Lombardi ist nicht nur Ständerat, sondern auch Verwaltungsratspräsident des Eishockeyklubs Ambri-Piotta.
Foto: KEYSTONE
Tobias Bruggmann

Neuseeland, Australien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind nur einige der Länder, die Filippo Lombardi (63) in seiner Amtszeit schon bereist hat – hauptsächlich auf Staatskosten. Alles für das Land, sagt er. «Solche anstrengenden Reisen sind bestimmt kein Tourismus. Ich tue nur meine Pflicht und vertrete die Schweiz in diesen Ländern, weil ich vom Parlament delegiert wurde.»

Seine persönliche Reise nach Bern soll im Herbst nochmals weitergehen, notabene obwohl Lombardi bereits seit 20 Jahren im Ständerat sitzt. Dort erklärt er den Parlamentariern und der restlichen Schweiz einen Kanton, den viele selbst nur vom Reisen kennen: das Tessin.

«Ich übernehme eine Doppelfunktion: Im Tessin muss ich erklären, dass für die Gesamtschweiz der bilaterale Weg immer noch der beste ist. In Bern muss ich die besonderen Verhältnisse des Tessins erklären.» Als Grenzkanton und einziger italienischsprachiger Kanton sei der Arbeiter- und Grenzschutz umso wichtiger.

Die Lega dominiert mehr und mehr

Wie aussergewöhnlich das Tessin ist, zeigt sich bei einem Blick auf die Parteienlandschaft. Sie wird mehr und mehr von der rechtspopulistischen Lega dominiert – die auch zwei Nationalratssitze besetzt. Zusammen mit der SVP will sie jetzt Sitze dazugewinnen – womöglich auf Kosten von Lombardis CVP. 

Darum geschah im Sommer Historisches: Die im Tessin seit langem verfeindeten bürgerlichen Mitteparteien, die liberale FDP und die katholische CVP, gingen zusammen mit der GLP eine Listenverbindung ein. «Die Feindschaft ist 100 Jahre her», sagt Lombardi und verwirft die Hände. «Meine Familie ist freisinnig, viele meiner Freunde sind es auch. Es wäre verrückt, wenn die Mitte auf die Verbindungen von links und rechts nicht reagiert hätte.»

Gefahr auch von links

Tatsächlich droht Gefahr auch von der linken Seite. Die linken Parteien haben bei den Kantonsratswahlen im Frühling zugelegt, sogar die kommunistische Partei gewann zwei Sitze. Jetzt könnten verschiedene linke Kleinparteien dank Listenverbindungen ebenfalls ins nationale Parlament einziehen. Das Zugpferd dafür ist ein alter Bekannter: Franco Cavalli (76) sass bereits für die SP zwölf Jahre lang im Nationalrat, kandidiert jetzt aber für das linke Forum Alternativo.

Das alles zeigt: Der Kanton Tessin tickt politisch eher links. Denn auch die Lega hat durchaus linke Positionen. «Über Europa und die Grenzgänger sagen die Lega und die SVP dasselbe, aber in vielen anderen Bereichen gibt es Differenzen», erklärt Lombardi.

Kein Jammerkanton

Die Angst vor Zuwanderung und der schlechten Wirtschaft ist im Tessin unüberhörbar. Doch eigentlich sind diese Sorgen unberechtigt. Die Tessiner Wirtschaft ist in den letzten zehn Jahren stärker gewachsen als die gesamtschweizerische. Ein Jammerkanton sei das Tessin nicht, sagt Lombardi. «Aber wenn man vorher 28 Jahre lang von der Lega-Gratiszeitung jeden Sonntag nur einfache, negative Sprüche hört, hat das einen Einfluss. Langsam dringt aber durch, dass nicht alles schlecht ist.»

Angriff auf Tessiner Bundesrat?

Einer, der die Tessiner Minderheit ebenfalls in Bern vertritt, ist Bundesrat Ignazio Cassis (58). «Er macht seine Sache gut, erklärt viel. Aber es braucht Zeit.» Zeit, die Cassis schon bald nicht mehr haben könnte. Überholen die Grünen die CVP, werden sie einen Bundesratssitz fordern. Vielleicht den von Cassis? Oder den von Verteidigungsministerin Viola Amherd (57)?

Das würde Lombardi in ein persönliches Dilemma stürzen. Der CVP-Fraktionschef müsste die eigene Bundesrätin verteidigen und die FDP angreifen – und damit den Tessiner Cassis. Lombardi winkt aber ab. «Die Grünen werden die CVP nicht überholen, dafür braucht es nämlich auch den Ständerat.»

Chance trotz Skandalen

In diesen Ständerat will Lombardi wieder einziehen. Die Chancen sind intakt, auch weil Ständeratskollege Fabio Abate (53) von der FDP nicht mehr antritt. Damit könnte Lombardi eine politische Karriere verlängern, die schon oft vor dem Aus stand. Gefälschte Auflagenzahlen des Medienunternehmers und ein Autounfall unter Alkoholeinfluss konnten ihm aber nichts anhaben. «Es gibt mindestens drei Kantone – das Wallis, der Jura und das Tessin –, wo solche Sünden nicht tödlich sind. Man weiss dort, dass der Mensch auch Schwächen hat, und verurteilt ihn nicht à priori.» Ziel des Strafrechts sei es zudem, den Menschen zu resozialisieren. «Nach 15 Jahren bin ich das.»

Nichtsdestotrotz könnte Filippo Lombardis politische Reise nach der nächsten Legislatur enden. Nachfolger stünden mit den CVP-Nationalräten Marco Romano (36) und Fabio Regazzi (57) bereit. Doch für Lombardi muss der Nachfolger nicht unbedingt aus dem Nationalrat kommen. «Ich wurde als Vertreter der Zivilgesellschaft gewählt, vielleicht findet man wieder jemanden von dort.»

National- und Ständeratsratswahlen 2019

Am 20. Oktober finden die eidgenössischen Parlamentswahlen in der Schweiz statt. Die insgesamt 200 Sitz im Nationalrat werden nach Anzahl Bevölkerung auf die Kantone verteilt und müssen neu gewählt werden. Auch die 46 Sitze des Ständerats werden neu vergeben.

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Für die Ständeratswahlen sind die Kantone zuständig. Bei den Nationalratswahlen arbeiten Bund, Kantone und Gemeinden eng zusammen.

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